Ort: Galerie Jette Rudolph bis: 2009-01-10
Künstler: Wim Botha
Thema: english version below# „Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass jedes Sichtbare aus dem Berührbaren geschnitzt ist, dass jedes taktile Sein gewissermaßen der Sichtbarkeit zugedacht ist (…)“. „Als würde der Akt des Sehens stets in der taktilen Erkundung einer von uns aufgerichteten Fläche enden (…)“. „Wir müssen die Augen schließen, um zu sehen (…)“ (aus: Was wir sehen blickt uns an. Die Metapsychologie des Bildes; George Didi-Hubermann, Finkverlag, München 1999)# Nach unserer erfolgreichen Präsentation der Installation „Vanitas Toilette“ auf dem diesjährigen Art Forum Berlin freuen wir uns, den südafrikanischen Künstler +Wim Botha* (geb. 1974 in Pretoria, lebt & arbeitet in Cape Town) mit seiner ersten Soloshow in Berlin in der Galerie Jette Rudolph präsentieren zu dürfen.# Die Bildsprache seiner zwei- und dreidimensionalen Objekte fügt sich in eine Welt aus Referenzen und Symbolen und kreiert ein narratives architektonisches Konzept, das sich aus naturalistischen Zeichnungen und großformatigen Linolschnitten, sowie raumgreifenden Skulptur- Ensembles speist. Die einzelnen Elemente sind in gegenübergestellten Positionen in einen mit subjektiven und objektiven Assoziationen durchzogenen Raum installiert. Geist und Natur korrelieren mit dem ästhetischen Ideal und menschlichen Fehlbarkeiten.# Bothas Berliner Ausstellung visualisiert das Grundmotiv des Spiels zwischen These- Antithese formal in den Farben Schwarz und Weiß. Typisch für Bothas Installationen sind ist die Abhängung der einzelnen Objekte mittels Stahlseilen von der Raumdecke, sodass vermutete Deutungen oft ihre Bodenhaftung, respektive Zuordnung verlieren. Formal arbeitet Botha in den einzelnen Arbeiten mit Rückgriffen auf die Architektur und das Mobiliar südafrikanischer Wohnhäuser und calvinistisch geprägter Kirchenräume: unter Verwendung schwebender Säulen aus schwarzem Holz durchsetzt von Spiegelflächen, einer sargähnlichen Wanne, Bilderrahmen mit Goldkanten, naturalistischer Studien von Skeletttierköpfen, sowie dem Weiss und partiellen Kardinalsrot der aus Bibeln geschnittenen Büsten. Durch das Zusammenfügen heraldischer und ikongraphischer Symbole, sowie Tierfabeln und Stereotypen von Menschen, wird ähnlich wie in der Addition der Raumkoordinaten x, y und z die Installation zu einer epischen Erzählung, einer Frage nach Macht, Religion, Ideologie und Vergänglichkeit als szenographischer Spiegel der Gesellschaft- inmitten die Rolle des Individuums.# Beispielsweise scheint sich ein Ensemble bestehend aus einer figurativen Büste und vier Tierzeichnungen dem Gesang eines kanonischen Lieds zu widmen, adressiert und erwidert durch den Menschen, indem sich alle mit weit aufgerissenen Mündern präsentieren. Im Einzelnen findet sich hierin das Motiv der Schlange: in der Christliche Sprache verkörpert sie den Teufel, wiederum in der Asiatischen Mythologie die Weisheit, während die Zulus (ein Südafrikanischer ethnischer Stamm) sie als Verkörperung der Ahnen interpretieren und in ihren rituellen Schlangentänzen den Gehorsam der Frau gegenüber dem Mann zum Ausdruck bringen. Sie ist ein magisches Tier, dass während der Regenzeit nicht getötet werden darf, Hunger und Untergang des Stammes wären die Folgen- es ist ein archaisches Symbol für die männliche Sexualität. Jenseits dieser inhaltlichen Bedeutung bindet Botha seine Zeichnungen an ein architektonisches Konzep, welches auf einen Organismus im Allgemeinen hinweist. Der Mensch in seiner Selbstwahrnehmung, autonom und im Glauben die letzte Instanz zu Gott oder zu einem göttlichen Wesen zu sein, führt in die Erschütterung seiner Selbstbestimmung mit der Frage nach seiner Vergänglichkeit.# Neben den o. a. installativen Ensembles beherrschen zwei monumentale gerahmte Linolschnitte das Entree der Galerie. Zwei Figurendarstellungen zeigen die freigelegte skelettierte Übersetzung kunsthistorischer Gemäldevorlagen. Eine davon zeigt “Saturn” verwandt mit Uranus, der in der Personifizierung der griechisch- mythologischen Himmelsgötter der Christlichen Trinität gleichgesetzt wird. So ist auch Janus, der Gott der Türen, der Ein- und Ausgänge, Geburt und Tod, wie auch in der Verkörperung der Jahreszeiten doppelgesichtig nach vorn und rückwärts gewand, emblematisch dargestellt. In Tizians „Allegorie der Weisheit“ ist er als dreigesichtige Darstellung der Menschenalter personifiziert („ex praeterito, praesens prudenter agit, ni futura actione deturpet“- „Aus der Vergangenheit heraus handelt das Gegenwärtige klug, damit es das Zukünftige nicht beeinträchtige“). Diese Verknüpfung evoziert die älteste Frage der Menschheit nach dem Tod und dem Leiden der Menschen an sich, die bis heute ein offenes Ende hat, aber mit der Sehnsucht Grenzen überschreiten zu können, verbunden ist.# Der Organismus der Installation kreiert ein Bild einer Welt, die sich durch haptische Wahrnehmungen von Farben, Linien, Flächen, auch den Materialien Papier, Glas, Holz und Wasser, ebenso wie durch die visuelle Sprache historischer und zeitgenössischer Quellen generiert und eine individuelle Reflektion basierend auf Methodik und Allegorie nach sich zieht.# # english version# „We must adapt to the idea, that each visible is carved from the tangible one, to a certain extent that each tactile is earmarked to the visibility (…) “ - „As if the act of seeing would always end in the tactile investigation by an imaginative founded plane by ourselves (…). We must close our eyes, in order to see (…). “ (free translation from: Was wir sehen blickt uns an. Die Metapsychologie des Bildes; George Didi-Hubermann, Finkverlag, München 1999)# For his first solo show in Berlin we are proud to present the South African artist +Wim Botha* (b. in 1974 Pretoria based in Cape Town) after his successful appearance with the installation "Vanitas Toilette" at the Art Forum Berlin in 2008.# The visual language of Botha´ s two- and three- dimensional objects assembles a world of references and symbols into a narrative, architectural concept, fed by sophisticated drawings and large-scale prints, mirrored and sculptural ensembles. They are installed likewise opposing positions into an encompassing space of subjectivism and objectivism, spirit and nature, the correlation of the aesthetic ideal and human fallibilities.# The exhibition space is coloured, also metaphorically, in black and white– could be seen as references to the underlying motif of duality, of ambiguity and contradictions- thesis and antithesis. By typical ceiling suspensions of Botha´ s objects via steel cables the provoked meanings lose ostansible their traction combined with their respective assignments. Meanwhile formal recourses to the South African architecture and furnishing, also Calvinist coined church interior are made; hovering pillars made from black coloured wood are partially mirrored, a coffin-like bathtub, frames with golden edges, naturalistic drawings of animal skull studies, the paper busts carved from bibles representing the black, white and cardinals red. Like the coordinates of the space the whole installation becomes an epic narration by adding x plus y plus z: iconic and heraldic symbols, animal fables and depictions of stereotypic men, even the matter of the works deals with the question of power, religion, ideology and caducity as well as a scene-graphic mirror of societies and communities and the role of the individuals in-between.# Botha´ s drawings are arranged to show human characteristics, all-in they give us some hints about the ambiguities in their different cultural using- they sing a canonical sinister music piece, addressed and answered by one of the busts, presented with wide open mouths. E.g. the python as a symbol for the Evil in Christian language, but also as the symbol for lore in Asian mythology; the Zulus (a South African ethno group) believes in the python as an ancestor, and even in ritual dances lay the depiction of man and woman, the obedience of woman to the man. It is a magical animal and killing a python during the rainy season would result to the end of nourishment and the end of the clan - it is the archaic symbol for men´ s sexuality. The drawings are bounded in-between the architectural frame, which acts on this suggestion of a whole organism. The question of men and their self-perception, to be autonomic, believing to be the final instance to God, to the Divine leads into the agitation of self-determination by the question of caducity.# By the artist´ s large-scale prints, e.g. "Saturn" close to the ancient god Uranus, the depiction of the mythological subject of the deities of the sky as well as the Christian symbolism of the trinity is suggested. The passage of time is also emblematised by the ancient god Janus, he is the god of the doors, entry and exit, birth and death, seasons of the year, double faced to look back- and forward, there lays another ambiguity. Titian used this type of depiction in his image "allegory of the prudence" about the three ages of men ("ex praeterito, praesens prudenter agit, ni futura actione deturpet"- “the present acts prudent of the knowledge of past, to avoid derogation in future”). By using this connection the old demand about death and the passion of the men is evoked, as the eldest mystery of the world until now with an open end, it deals with the deepest fears and wishes and the desire to extravagate.# The organism of the installation creates a face of a world; by using the haptic sense colours, lines, planes, also the materials –paper, glass, wood and water– as well as the visual image language of historical and contemporary resources the work gains an individual apperception based on methodology and allegory.
Ort: Galerie Jette Rudolph bis: 2008-11-22
Künstler: Dennis Rudolph
Thema: Der junge Berliner Künstler +Dennis Rudolph* (*1979 in Berlin, arbeitet in Berlin) inszeniert in seiner dritten Soloshow „De(n) Heilige(n) Krieg, Kap. II: Innerster Kreis (Nothwendigkeit)“ in der Galerie Jette Rudolph, als Fortsetzung von „ Der Heilige Krieg, Kap. I: Das Opfer der Jugend“ (NY, April 2008).# Vier Portraits bilden das Herz der Ausstellung: Als Teil einer Serie von insgesamt 19 Portraits sind sie ausgehend von gefundenen Fotografien namenloser deutscher Soldaten und Intellektueller der Generation der 30er und 40er Jahre entstanden. In Grisaille überlebensgroß modelliert, erscheinen sie als Repräsentanten einer fiktiven ‚Deutschen Ahnengalerie’ pathetisch überhöht. Aus ihren eindringlichen Physiognomien– den entschlossenen, selbstgefälligen oder verstörten Blicken– schlägt uns der Geist des Fanatismus ihrer Epoche entgegen. Doch suchen wir das altbekannte Abzeichen auf ihren Krägen vergeblich: Das Emblem ihrer Ideologie ist verschwunden, ihre Namen sind aus Geschichte, Kunst und Mythologie entnommen. Auf diese Weise wird der nationalsozialistische Glaubensinhalt der ‚Ahnen’ aus dem Blickfeld gerückt und ihr mimischer Ausdruck zum formalen Kern einer unbestimmten ‚ideellen Entschlossenheit’ kondensiert: Die Charakterköpfe werden somit zu Ikonen einer nicht näher definierten Glaubensgemeinschaft. Prekäre Transformationen dieser Art und die Arbeit mit kulturhistorisch extrem aufgeladenen, ‚explosiven Material’ sind typisch für die künstlerische Strategie von Dennis Rudolph.# Die Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe schlägt sich auch in formalen Referenzen nieder, indem Rudolph altmeisterliche Techniken wie Tafelmalerei, Radierung und Holzschnitt (bzw. Linolschnitt) re-aktualisiert und historische Gattungen wie Portrait, Deckengemälde oder Landschaftsbild zeitgenössisch interpretiert. So macht „Herbst“ aus dem Zyklus „Ewiges Eis: Die vier Jahreszeiten“ Anleihen an romantische Landschaftsallegorien, wie wir sie von C. D. Friedrich kennen: Die Landschaft wird zum Medium einer tieferen Sinngebung, lässt sich also zeichenhaft entschlüsseln. Analog zur zyklischen Struktur der Jahreszeiten, welche auf Lebensabschnitte oder Zeitalter verweisen, bezieht sich „Morgenröte“ auf den kosmischen Lauf der Gestirne. In dieser Druckgrafik spitzt sich Rudolphs bevorzugtes semiotisches Vokabular– totes Ross, ewiges Eis, Kriegsgrab*, Säule und Adler (als heraldisches Tier)– zu den abstrakten, archaischen Symbolen Kreis und Dreieck zu. Diese Tendenz einer Öffnung kulturell relevanter Symbole hin zu universaler Gültigkeit kulminiert im Deckengemälde, das an die barocke christliche Tradition angelehnt ist: entkleidet von der christlichen Heilsgeschichte und deren himmlischen Heerscharen öffnet sich ein transzendenter, illusionistischer Raum über unseren Köpfen.# Rudolphs Bilder sind gekennzeichnet von solchen Leerstellen: wir finden weder christliches Kreuz, noch Hakenkreuz. Die symbolische Aufladung der verwendeten Allegorien und Symbole bleibt offen, denn alle determinierten Wahrzeichen des Glaubens sind aus der Bildsprache verbannt. Nach dem von Jean-Francois Lyotard proklamierten‚ Ende der großen Erzählungen’ und dem unwiderruflichen Eintritt ins Zeitalter der Postmoderne artikuliert sich in Rudolphs Bildern der Verlust der Einbettung in ein gesellschaftliches, politisches oder religiöses System. Der leere, aufgewühlte Wolkenhimmel ist das ultimative Sinnbild für diesen Verlust und seine Überwindung durch die Kunst.# K. Weinstock
Ort: Galerie Jette Rudolph bis: 2008-10-11
Künstler: Jan Koch
Thema: Jan Koch (geb. 1978 in Mönchengladbach) präsentiert in seiner ersten Soloshow in der Galerie Jette Rudolph neueste Arbeiten klein- und großformatiger Malerei sowie Skulptur, worin er sich der Reinheit und Reduktion der geometrischen Form widmet, um diese mit einer philosophischen Bedeutung aufzuladen. Der Titel „böseistswennsnichtweiter“ zieht die sich in den ausgestellten Werken widerspiegelnden Leitthemen zusammen: Abstraktion, Nihilismus und das Symbolische... Das Quadrat sowie der Punkt- als minimale Kreisform- bestimmen die Bildsprache der Werke Jan Kochs. Eine ähnliche formale Reduktion findet sich auch im russischen Suprematismus vglb. Malewitsch, dem Bauhaus, holländischen DeStijl oder der späteren Minimal Art. Was einst der Formulierung einer universellen Sprache oder dem seriellen Konzept diente, gebraucht Jan Koch als tautologische Strategie, um aus der „kleinste(n) Form (…) ein beliebiges System zu konstruieren“, welches von der Leinwand in das Objekt mündet. Die strenge Reduktion der Form- bei Malewitsch als „Nullpunkt der Malerei“ interpretiert- zielt nicht auf eine mathematische Kalkulation, sondern befasst sich mit dem Geistigen in seiner reinsten Form und der Erfahrung, die sich: „der reinen Gegenstandslosigkeit in der weißen Leere des befreiten Nichts“ artikuliert. (Johannes Meinhardt, Ende der Malerei und Malerei nach dem Ende der Malerei, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, 1997.) Am Beispiel des Kreuzes und des Quadrates schafft Jan Koch den Sprung vom Zwei- ins Dreidimensionale, zum Objekt. Referierend zu J. Albers Aussage, „(d)as Quadrat, mit seinen vier gleichen Seiten bezieht sich auf ein Oben, Unten, Osten, Westen“ werden christlich-mythologische Symbolismen mit einem sachlichen Grundton in den Leinwänden Jan Kochs wiederholt pointiert. Das Kreuzmotiv, das bei Malewitsch seinen Ursprung in der Ikonenmalerei hatte, begegnet uns von Jan Koch hingegen als ein rituelles Abarbeiten an der dritten Urform der Abstraktion.# Das Absichtliche als auch das Bewusste wird der Idee des Unbewussten und dem zufälligen Prozeß entgegengestellt, indem Jan Koch die konkrete Form einer partiellen Erodierung des Malgrunds mittels chemisch wirksamer Werkstoffe wie Chlor oder Sandpapier unterzieht und parallel einen Bruch mit der Rigidität der geometrischen Reduktion evoziert. Gleichzeitig harmonisiert die auf Weiss reduzierte Farbpalette Kochs, dem natürlichen Leinwandton oder den Silberpigmenten mit der Reinheit der Form.# Sein verspiegelter Kubus erinnert zuerst an Robert Morris’ minimalistische Skulptur von 1965 "ohne Titel", doch erzeugt Koch durch den Einsatz von Neonröhren im Inneren des Objekts eine zusätzliche Dimension: den Lichtschein. Die Unfasslichkeit des Lichts als auch die Widerspiegelung des realen Umraums scheinen die Begrenzung der Form aufzuheben. Materialität und Immaterialität oszillieren miteinander und wirken mittels der Aufstellung des Objektes simultan dem Zufall entgegen. Die Konstellation und Konstruktion des Kubus werden werkimmanent, indem sie die Distanz zum betrachteten Objekt heranrücken, einzoomen und zu einer dreidimensionalen Oberfläche eines zweidimensionalen wahrgenommenen Bildes generieren. Die Wechselwirkung zwischen vorgegebener Natürlichkeit und künstlich geschaffener Wirkung zwischen Absichtlichem und Zufälligem zwischen Reduktion und potenzierter Dimension- das sind die Leitmotive in den neuesten Werken Jan Kochs.# english version# Jan Koch (b. 1978 in Mönchengladbach), in his first solo show at gallery Jette Rudolph, presents his newest works featuring both small and large formatted paintings as well as sculpture. He dedicates purity and reduction of geometrical form to an added philosophical dimension.# The title “böseistswennsnichtweiter“ brings together collective themes reflected within the exhibited works: Abstraction, Nihilism and the symbolic…# The square and circle (dot) are pivotal to the motifs figured in the works of Jan Koch. A similar formal reduction can also be found in the works of the Russian Suprematists, specifically Malewitsch; Bauhaus, the Dutch DeStijl or the later Minimal Art. What is on the one hand a formulation of a universal language as well as putting forward the idea of the serial; it is the concept of tautology which Jan Koch employs within his works to create from the “smallest form (…) an arbitrary system” [J. Koch]. This translates itself from the object to the canvas.# The strict reduction of form- interpreted by Malewitsch as the “zero point of art”- does not target the mathematically calculated, instead it concerns itself with the spiritual in its purest form and the experience which articulates itself in the “purest obliteration of matter in the empty white of non-existence” (Johannes Meinhardt, Ende der Malerei und Malerei nach dem Ende der Malerei, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, 1997).# Through the form of the cross and the square, Jan Koch is able to fuse the two-dimensional into the three-dimensional; to the object. According to J. Albers: “the square, with its four equal sides refers to a top, a bottom, east and west”. With this in mind, Christian-mythological symbols combined with an objective grounding are repeatedly displayed within the canvases of Jan Koch. The cross-motif, whose origin is based in icon(ic) painting, resurfaces within Koch’s works- however with a ritualistic handling of the third form of abstraction.# The deliberate as well as the conscious is set in contrast to the idea of the unconscious and the process of the incidental- Jan Koch subjects the surface of the canvas to chemical substances such as Chloride or sandpaper in order to partially erode the concrete form as well as to create a break within the rigidity of the geometric shapes. At the same time, the restriction of Koch’s palette harmonises the natural tone of the canvas with the purity of form.# His mirrored cube is reminiscent of the minimalist sculpture of Robert Morris, 1965 “untitled”, yet through the installation of neon pipes within the body of the work, Koch evokes an additional dimension: the play of light. The intangible quality of light, as well as the reflection of reality (the surrounding environment), appears to alleviate the boundaries of form.# The material and the immaterial oscillate between each other by way of the construction/ placement of the object, simultaneously experiencing the incidental. The constellation and construction of the cube leads to an autonomous realisation of the art work. The distance to the viewed object is reduced, up-scaled and transformed from a two-dimensionally recognised image to a three-dimensional sculpture. The interplay between the natural and the artificially created effect; between the deliberate and the accidental; between reduction and increased dimension result in the pivotal motifs featured in the newest works of Jan Koch.#
Ort: Galerie Jette Rudolph bis: 2008-04-19
Künstler: Greif & Hennig
Thema: „Das Spektakel ist nicht ein Ganzes von Bildern, sondern ein durch Bilder vermitteltes gesellschaftliches Verhältnis zwischen Personen... In seiner Totalität begriffen, ist das Spektakel zugleich das Ergebnis und die Zielsetzung der bestehenden Produktionsweisen...“# (Guy Debord, Die Gesellschaft des Spektakels, Tiamat Berlin, 1996)# Die Gegenwart ist paradox und Geschichte wird mit Wiederholungsmustern geschrieben. Zerstörung und Neuerschaffung, das sich Aneignen, in Besitz nehmen und das Verwerfen des Alten liegen eng nebeneinander. Das Neue kommt aus dem dichten Dunst des Alten und ist doch immer auch Spiegel seiner eigenen Geschichte. Dazu gesellen sich die Anforderungen an den Einzelnen im sozialen Kontext in Form von Nachrichtenflut, Erkenntniswahnsinn und Flexibilität. Biegsam sein bis zum Erbrechen! - Wer da nicht mithalten kann, bleibt auf der Strecke- oder revoltiert. # Das Leipziger Künstlerduo Greif & Hennig (geb. 1976 und 1978) entwirft einen Plan für Barrikadenbauer, für die Strolche, die am und im Staat gescheitert sind und transformiert diesen in eine mehrteilige raumgreifende wie doppeldeutige Installation. Während die Barrikaden sich als Prints auf Millimeterpapier darstellen, die modellhaft am Computer aus den im urbanen Raum freiverfügbaren Materialien wie Einkaufswagen, Polizeiabsperrungen und Europaletten konstruiert wurden, präsentiert eine über den Monitor rezipierbare Netzarbeit das Nachrichtenarchiv verschiedenster Unruhen aktueller und historischer politischer Aktionen. # Leitfaden der Ausstellungskonzeption in Anlehnung an die Werkstrategien der Appropriation Art ist eine alte Arbeit des Künstlerduos, nämlich ihre Aktionskette zum Thema „Theorie und Praxis“, worin Tischpulte zu Demonstrationsschildern umfunktioniert wurden, um selbstreflexiv das Ideal und Scheitern vom Künstlerbild zwischen Idee und Verwirklichung aufzuführen. Da einst formulierte Absichten nicht immer funktionieren, verstanden oder sogar vergessen werden, haken Greif & Hennig erneut nach und bauen den Tisch der Schildervorlage zurück und sagen: Alles noch mal auf Anfang! Denn im Scheitern liegt nicht nur die Möglichkeit der Wiederholung und Überarbeitung, sondern auch die Erkenntnis. # Der Ausstellungstitel „A Good Cast is Worth Repeating“ rührt als gängiges Zitat filmischer Abspänne, sowohl am Prinzip der Wiederholung als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, als auch am Medienkonzernriesen UNIVERSAL als Beispiel der kapitalistischen Monopolisierung von Märkten kreativer Produkte. In diesem System kann der Künstler sich als universelles Konstrukt einbringen (vgl. den Totalkünstler Timm Ullrichs). So ist auch der Hauptausstellungsraum der Galerie von einem großen Leuchtschrift-Logo des Musikkonzerns vereinnahmt worden, dessen Schauseite nun anstatt der amerikanischen die europäische Kontur zeigt. Dieses Umdrehen bzw. Vertauschen der gewohnten topografischen Bezugspunkte dient bei Greif & Hennig nicht der Dekonstruktion des amerikanischen Way of Life oder seines Sendebewusstseins. Vielmehr fordern sie uns auf, über die räumliche und zeitliche Unveränderlichkeit vermeintlich universeller Ansprüche und die Generalisierung von Aussagen und kulturellen Werten nachzudenken. Die zwiegespaltene Haltung zur Rolle und Funktion Amerikas zeigt sich dennoch – in Form eines fest auf den Untergrund fixierten Sternenbanners. Es nützt kein Ziehen und Zerren, ihr Anspruch ist universell in Theorie und Praxis. # english version # „The spectacle is not a whole of images, rather than a social relation between persons mediated through images… To be recognized by its totality, the spectacle is at the same time the result and the ambition of the existing method of production…” # (free translation: Guy Debord, Gesellschaft des Spektakels, Tiamat Berlin, 1996) # The present is a paradox and history is written by models of repetitions. Destruction and recreation, appropriation and occupation or the abolishing of the past, all of these lay at close quarters.. The new grows out of the dense mist of the past but at the same time it functions as a mirror reflecting its own history. Besides to this join the requirements to the individual in the social context in terms of mass media, mania of knowledge and flexibility. Being flexible ad nauseam!- Who is not able to match this, breaks down- or breaks out to revolt. # The Leipzig artistduo Greif & Hennig (b. in 1976 and 1978) conceptualized a multi-part installation visualizing the artists’ masterplan for the constructors of barricades, even for those hoodlums who fail on the state. The barricades are prototypes printed on millimetre paper after being rendered on the computer based on disposable materials in urban space like shopping carts, police barriers and euro-pallets. Aside a computer monitor presents a web project referring to media archives listing a choice of historical and recent riots. # The guideline of the concept of the show is a former work of the artist duo based on a chain of campaigns entitled “Theory and Practice” which refers to the strategies of Appropriation Art. Greif & Hennig converted tabletops into demonstration boards to stage in a selfreflecting way the ideal and the failure of the artist’s image between idea and its realization. Sometimes former intentions never worked out or have been forgotton why Greif & Hennig take their chance to approach anew. So they re-construct the table as the source of their boards to claim: da capo! Because the act of failure not only accommodates the possibility of repetition and over-working, but also the possibility of knowledge. # The title of the show “A Good Cast Is Worth Repeating” citates the wellknown spoke of cinematic final credits dealing with the principle of repetition as a task of of job- creation measure as well as with the logo of the media group giant UNIVERSAL as an example for capitalistic monopolization of markets for creative products. In the context of this sytem the artist is able to participate as an universal construct (cp. Timm Ullrich´s Totalkünstler). # The main exhibition room got misappropriated by the neon Universal- logo whose original right side is transformed into a European instead of the American outline. By this reverse of the familiar topographic reference points the artist duo Greif & Hennig asks the recipient to rethink spatial and temporal constants of pretended requirements as well as generelizations of cultural values. Nevertheless the discrepance concerning the role and function of the United States is shown in the form of a star- splanged banner which immovably got fixed on the wall. Neither pulling nor drafting helps because its claim is universal in “theory and practise”.
Ort: Galerie Jette Rudolph bis: 2008-03-08
Künstler: Jan Koch, Dannielle Tegeder, Tillman Kaiser, Klaus- Martin Treder
Thema: Was ist eigentlich Abstraktion in der Malerei? Die Tatsache, daß die Referenz zur Natur aufgehoben ist, oder daß Malerei sich auf die kleinste Schnittmenge des Darzustellenden geeinigt hat? Gleich den Alchimisten aus längst vergangenen Tagen werden Erscheinungen, Elemente und Formen pulverisiert, reduziert und zusammengeführt, auf ein Medium projiziert, mit dem Anspruch auf den eigenen Subjektivismus, der eigenen Wahrheit.# Tillman Kaisers (*1972 i. Graz; lebt i. Wien) kaleidoskopartige Bilder mit den an Längs- und Querachse gespiegelten, durch das Verfahren des Siebdrucks klar umrissenen Formen und Farben bannen unvergessene Erinnerungen, um sich einer besonderen Mischung aus Sentimentalität, Sprödigkeit und Selbstironie hinzugeben. In den mehrfach facettierten und rotierenden Farb- und Formprismen tauchen immer wieder Schwarz/ Weiß-Repros von Motivabdrücken auf wie Bienen oder Köpfe, die aber kaum identifiziert in der abstrakten Komposition aufgehen. Die Lesbarkeit löst sich auf in eine psychologisch anmutende Welt zeit- und ortloser Obsessionen, oder anders gesagt, man geht entlang der Bilder, fühlt sich am Rande der Realität, ganz wie Alice im Wunderland und sieht den abschwirrenden Fliegen nach.# Jan Koch (*1978 i. Mönchengladbach; lebt i. Berlin) generiert in seinen seinen neuesten klein- und großformatigen Malereien basierend auf dem mathematischen Objekt des Punkts einen eigenen Algorithmus im Sinne eines „neuen abstrakt monochromen All-Over-Pointillismus“. Damit verweist er nicht nur kompositorisch sondern auch symbolisch auf die Versinnbildlichung von Anfang und Unendlichkeit, um sich gleichzeitig auf die Erkenntnisse des Reduktionismus zu beziehen. Dem beinahe monochromen Farbauftrag entzieht Koch partiell die obere Lage mittels Chlorbleiche. Wie bei Kaiser die Drucktechnik so evoziert bei Koch der chemische Prozess vglb. den Materialexperimenten eines Tapies die Wahrnehmbarkeit des Aspekts von Zeit, die alles Licht an der stumpfen Bildoberfläche zu verschlucken scheint. In Verbindung mit den bildhaften Arbeiten stehen auch die „Zimmerbrunnen“ Kochs und deren bedeutungsschwangere Frage nach dem Ursprung, der Quelle allen Seins.# Dannielle Tegeders (*1971 i. Peekskill; NY; lebt i. NYC) Weiterführung der abstrakten Idee mündet in feinlinearen Konstruktionszeichnungen in den verschiedensten Formen, Farben und Techniken. Die Künstlerin generiert auf der Basis mathematischer Formeln und futuristischen Architekturen einen utopischen wie phantasievollen Mikrokosmos, der in seinem skizzenhaften Medium auf Papier mit Reminiszenzen an die Vorbilder der abstrakten Moderne wie Kandinsky und Klee oder an die experimentellen Konstruktionen einer Zaha Hadid spielt. Zeichnung als persönliche Handschrift und Papier als fragiler Träger spiegeln aber auch die Beziehung zwischen Bild und Rezipienten wieder, wenn im Auflösen vorhandener Sehstrukturen trotz Analytik die Vergänglichkeit spürbar wird.# Die bereits in ihrem Ausgangspunkt durchkalkulierten Bilder Klaus- Martin Treders (*1961 i. Biberach; lebt i. Berlin) abstrahieren und stilisieren Formalismen aus dem Logo- und Produktdesign basierend auf einem eigens erstellten System errechneter Farbwerte, die umgesetzt als ein organisch erscheinendes Ornament in Beziehung gesetzt werden. Die Möglichkeiten der Farbwirkung- Schwarz, Weiß, Grau, Zitronengelb- werden potenziert durch einen bisweilen opulent pastosen Farbauftrag wirkungsvoll kombiniert mit den unterschiedlichen Träger wie Leinwand, Holz und Metall, um die verschiedenen optischen Eigenschaften wie Lichtbrechung und – reflexion zu eruieren. Die vordergründig gestisch-expressive Malerei wird hier Kalkül, Konstruktion und verlässt die Ebene der Zweidimensionalität.# # english version # What means abstraction in painting? The fact, that the references to nature are annuled or the paintning agreeds upon the minimum of intersection concerning depictions? Comparable with the alchemists long days ago, appearences, aspects, elements and forms are pulverized, reduced and merged to be banished on the medium with the claim to its own subjectivism- its own truth. # The kaleidoscopesque images of Tillman Kaiser (*1972 i. Graz; living i. Wien) consist of precise forms and colors, visualized on its long and lateral axises. The paintings spellbind never forgotten memories to indulge in a mixture of brittleness, sentimentality and self-irony. Repeatedly black- and- white imprints of motifs like bees or heads appear in multi-mirrored and rotated prisms of colors and forms. The legibility, which merge into an abstract composition is eliminated into a seemingly psychologic world of obsession beyond time, in other words: wandering along the painting the recipient feels on the brick of reality like Alice in Wonderland. # Jan Koch (*1978 i. Mönchengladbach, living in Berlin) reduces his small and larged scaled painings to the underlying element of geometry- the point. Through this detail he refers to physical and christian- mythological coherences, the symbolization of the beginning and the infinity. The monochrome character of colors are applied layer by layer, while the upper layers are partial taken off by chlorine. Comparable to Tapies, the chemical process of different materials evokes the perception of time, because all light is absorbed on the painting´s surface. Koch´s sculptures of “fontains” reflect the highly symbolic question for the origin of being. # Dannielle Tegeder (*1971 i. Peekskill, living i. NYC) perpetuates the continuation of the abstract idea into fine lined drawings of construction. Based on mathematical formulas and futuristic architecture the artist generates an utopic and imaginative microcosm, which refers through its scetchilly character on paper to prototyps of modern art like Kandinsky, Klee and to the experimental constructions of Zaha Hadid. Drawing as an individually hand writing on paper is a fragile medium, reflecting the relationship between image and recipient, while annulement of patterns of perception is placed to the transitoriness of the medium. # Klaus- Martin Treder´s (*1961 i. Biberach, living i. Berlin) paintings abstract and stylize the formalism of logo and product design through precalculated works, which are based on arithmetical analyses of color value and organic forms. The facilities of color expression in black, white, grey and lemon yellow, but also the creamy application of paint are consciously combined with the choice of the picture carrier like aluminum, canvas or wooden panel to evoke an optic effect of reflection of light. The superficial gestural and expressive kind of paintings becomes an estimation to leave the two- dimensional level behind.
Ort: Galerie Jette Rudolph bis: 2008-01-19
Künstler: Wim Botha, Paule Hammer, Svätopluk Mikyta, Dennis Rudolph, Joulia Straussova
Thema: Politische Ikonografie meint die wissenschaftliche Erforschung politischer Bilder, der sich die gleichnamige Forschungsstelle des kunsthistorischen Seminars an der Hamburger Universität und namhafte Wissenschaftler von Aby Warburg, Martin Warnke bis zu Horst Bredekamp und Michael Diers widmen, zwecks der Analyse der Geschichte der Abbildung von Herrschaft und Staatstheorie, sowie der gestischen Botschaften im Medienzeitalter, basierend auf den Hilfsmitteln der Farbenlehre, Komposition und Bildrhetorik./ Die Motivation zur Kuration einer Ausstellung zum Thema Kunst und Politik resultiert aus dem derzeit wahrnehmbaren Wandel vom "Rückzug ins Private", zur Formation kleiner "Gesinnungskreise". Die wissenschaftliche Analyse historischer, kultureller und politischer Motive dient auch den eingeladenen internationalen jungen Künstlern als Grundlage zur Entwicklung aktueller Statements, Kritik oder Projektionen von Utopien. Vergleichbar den transdisziplinären Ansätze der Wissenschaft nutzt auch die Kunst die visuelle Strategie der Vernetzung von Historie und Aktualität, dem Oszillieren zwischen den verschiedenen Medien und Genres./ Der Südafrikaner Wim Botha (*1974 in Pretoria) baut faszinierende Installationen mit Skulptur und Grafik, die subversiv die Bildlichkeit von Macht und Religion am Motiv der Sterblichkeit reflektieren, um nach Jahrhunderten der Ideologie die Haltung bzgl. Leben und Tod neu zu bestimmen. Im Rückgriff auf barocke Stilelemente wird der Gedankengang zum Leben in einen neuen Kontext von Hier, Jetzt und Gestern, von Moderne und Geschichte gestellt, die Vergänglichkeit des Individuums contra Machtsymbole- Reliquien und Ruinen-, die sich der Vergänglichkeit so hartnäckig entgegenstellen./ Dahingegen hat der multimediale Ansatz des Leipzigers Paule Hammer (*1975 in Leipzig) einen fast provozierend Tenor, wenn er in einer unorthodoxen Mischung Wort und Bild, Akribie und Gestus, Zitat und Ironie einander gegenüberstellt, um Weltentwürfe zu schaffen, die den "Konflikt des Künstlers gegen sich selbst, (der) Kunst gegen die Wirklichkeit und gegen die Wirklichkeit der Kunst" demonstrieren (Maik Schlüter). Beziehungsgefüge finden sich auf den Seiten des Künstlerbuches ebenso wie auf der gleichnamigen Leinwand „Sozialbeziehungsbild“. Ein Netzwerk verschiedenfarbiger Linien adaptieren soziale Strukturen des Künstlers und setzten sich in einem weitergedachten Beziehungsgeflecht von Punkten/ Personen fort und in einem Gesellschaftsbild zusammen, verdichten sich und werden so zu einer Art Geäst ähnlich dem des Stammbaumes, einem Pfad, auf dem Personen auf eine Person zurückgeführt werden./ Dem heraldischen und ikonografischen Diskurs hat sich der Berliner Dennis Rudolph (*1979 in Berlin) verpflichtet, um basierend auf den ebenso tradierten Medien der Kunst und Propaganda in Form von Radierung und Malerei seiner Mission einer neuen Kunstreligion Ausdruck zu verleihen. seine Adaption von C.D. Friedrichs "Eismeer" wird von einem dunklen Wolkenwirbel überschattet, aus dessen Mitte ein hoffnungsvoller Erleuchtungsschein durchbricht, konterkarriert von einem aufgespießten Stahlhelm im Bildvordergrund, der die demokratisch-liberale Haltung seines Betrachters provoziert./ Auch Svätopluk Mikyta (*1973 in Cadca) hat das Motiv der Massenbewegung als Motiv seiner künstlerischen Arbeit genommen - allerdings unter sozialistischen Vorzeichen. Seine Überzeichnungen von Buchdrucken wählen die Spartakiade als Beispiel geometrischer Formation, die das Individuum zugunsten der Menge subsumiert. Gleichzeitig ist das Mittel der Überzeichnung Ausdruck politischer Bildmanipulation, beeindruckt aber auch wegen seiner psychologischen Qualitäten./ Einen direkten Bezug zum aktuellen politischen Geschehen wagt die russische Künstlerin Joulia Strauss (*1974 in Leningrad) mit ihrer figürlichen Steinskulptur "polonium advertizing sculpture". Die operative Verbindung von Kunst und Wissenschaft unter Verwendung neoakademischer Stilmittel dient hier der Darstellung zweier Frauen, die mit wie zum Gruß erhobener Arme mittig eine Scheibe halten, die das chemische Symbol des radioaktiven Poloniums tragen, das im November 2006 zu Berühmtheit gelangte als der ehemalige russische Geheimdienstagent Litwinenko daran starb, wobei bis dato ungeklärt ist, ob es sich um einen politischen Anschlag handelte. Entsprechend oszilliert die Skulptur zwischen dem Genre Denkmal und Werbeträger./ Jette Rudolph, Julia Kolodziej
Ort: Galerie Jette Rudolph bis: 2007-12-01
Künstler: Marcus Sendlinger
Thema: “Und … (es) war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe, … Und.. (er) sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht. .. sah, dass das Licht gut war. ..schied das Licht von der Finsternis. Und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.“ (AT, 1. Mose 1. 2- 5# Marcus Sendlinger (geb. 1967, Königstein) bespielt die Soloshow GENESIS in der Galerie Jette Rudolph in Berlin und zeigt neue Arbeiten, worin die Idee als Abstraktion sichtbar gemacht ist und ihre Gegenständlichkeit aus den Bildebenen gewinnt oder ihre Ideentangenten in Form der Plastik generiert.# Auf diese Weise entsteht ein Kosmos, der die linearen Strukturen der früheren Bilder Sendlingers aufbricht, um das Wesentliche aus reduziert- geometrischen Formen zu extrahieren, so dass eine Art „innere Realität“ erfahrbar wird. Der Betrachter steht vor einem scheinbar chaotischen Konglomerat stürzender Geraden und Flächen, die ein diffuses Spiel zwischen Vorder- und Hintergrund assoziieren.# Sendlinger inszeniert die einzelnen Werke der Ausstellung in einem fast vollkommen schwarzen Cube, so dass die Leinwände und Plastik eine Symbiose mit ihrer Umgebung eingehen. Im Kontext dieser Atmosphäre wird ein optisches Wechselspiel der kubischen und kristallinen Formen zwischen Verdichtung und Abgrenzung provoziert und mit der Auflösung der Bildräume ein Sog von der Zweidimensionalität des Bildes in die Dreidimensionalität des Raumes erzeugt. Gleichzeitig wird damit das Medium Farbe neben seiner individuellen Wahrnehmung auch seelischen reflektierbar, aber auch universell erfahrbar und damit auf Grund seiner plastischen Darstellung zum Greifen nah.# Mit dieser Vorstellung Kunst als etwas Universelles zu begreifen und die bürgerliche Begrenztheit hinter sich zu lassen, der Wahrnehmung der Dinge eine Stofflichkeit und keinen vorgefertigten Rahmen zu geben, der möglichst schnell zu kategorisieren wäre, sondern die Dinge in eine kosmisch unbegrenzbare Wahrnehmbarkeit zu stellen, werden die Arbeiten Sendlingers in ihrer Abstraktion dem Individuellen zugänglich gleich der Erfahrung der sichtbaren Realität./ „In meiner neuen Serie “Black Paintings” verwarf ich des Konzept meiner früheren räumlichen Illusion, die hauptsächlich auf der äußeren Wahrnehmung basierte, zu Gunsten einer Reduktion eines fast ausschließlich schwarzen spirituellen Raums als eine Art universeller Ausdehnung.“ (M.Sendlinger zu seiner Serie „Black Paintings“, 2007)# In der Rückbesinnung auf den Kubismus und den Russischen Suprematismus im heutigen ständig gegenwärtigen Medienzeitalter und inspiriert durch die Werke André Massons Ende der 50`er Jahre, befasst sich Marcus Sendlinger immer stärker mit der phänomenologischen Reduzierung der Malerei, die auf ihre elementaren Strukturen heruntergekürzt ist, wie: die Idee, den Grund, den Raum, den Formalismus, die Vereinfachung, die Radikalität, den Rhythmus, die Wirkung und das Mysterium, mit dem Ziel neue immanente Bedingungen zur Konzeptionalisierung seiner Malerei zu finden, d.h. jedes Bild generiert sich gemäß seiner eigenen Gesetzgebung.# (Text: Julia Kolodziej)# Als Special werden Hank Ray und Marcus Sendlinger die Eröffnung ab 22:00 Uhr mit einem musikalischen live-act erweitern.
Ort: Galerie Jette Rudolph bis: 2007-10-20
Künstler: Tine Benz
Thema: +Tine Benz* (geb. 1969 in Neuss) dritte Soloshow in der Galerie Jette Rudolph präsentiert neue grossformatige Arbeiten der Malerei sowie eine mit Klebeband und Papier installativ inszenierte Wand- und Raumcollage.# Der Titel +"Autopilot"* deutet die in Tine Benz' künstlerischen Arbeiten typische Verlinkung von Lebensaspekten im Kontext der Virtualität und der Realität an. Der computergesteuerten planmässigen Navigation von Flugzeugen und militärischen Objekten kommt die konkrete und auf einen perspektivischen Fluchtpunkt kalkulierte Bildgestaltung der Künstlerin entgegen, die in ihren menschenleeren von geometrischen Formen dominierten Samples Versatzstücke aus Architektur und Mobilität kombiniert. Allerdings zersprengt Benz die Realität des Bildes in parallel zueinander existierende individuelle Welten, die sich aus dem autonomen Prozeß der Malerei generieren. Vergleichbar dem Piloten, dem die dauerhafte Kontrolle der Instrumente obliegt sowie die letzte Entscheidungsinstanz im Fall einer Krisensituation.# Die vielschichtige Ordnung, das Prinzip Stadt, findet sich in der mehrschichtigen Malweise und dem Bildaufbau sowie dem Materialmix der Bilder insbes. in den metallischen Reflektionen wieder. Ganz so als ob die Stadt ihr Bild zurückwirft, und man sich im Spiegel einer universellen Metropole befindet, die wiederum entlang der Klebebänder von außen nach innen erwandert werden kann- der eigene Blick wird Teil der Inszenierung. "(...) Tine Benz' (...) metropolitane Recherchen über ein himmelstürmendes Cyber-Berlin-New York (ist) in riesige Papiercollagen um(ge)setzt, (...), aufgepeppt mit glitzernden Fahrbahnmarkierungsstreifen und einer Prise spacigem Konstruktivismus", Christoph Tannert, in: New German Painting.Remix, München/ London/ NY 2006, S.29.# Tine Benz verknüpft die Erfahrungen eines Reisenden, der die Anonymität der Großstädte, die Identitäten, Kulturen und Subkulturen in eine übergeordnete Raumperspektive transformiert und womöglich zur Ordnung bringt- von Zeit und Spuren entleert, um sie in den eigenen Erfahrungsraum einzubringen. Dabei ist das Sehen scheinbar ortsspezifischer Merkmale wie bestimmter Plätze, Häuser oder Brücken eine assoziative Abstrahierung und Collagierung mit dem unterbewussten Zusammenfügen fehlender Bestandteile aus Erinnerungen, welche die Arbeiten von Tine Benz in ihrer Nüchternheit eben doch so individuell erfahrbar werden lassen.# +english press release* Tine Benz (born 1969, Neuss) presents new large-format paintings and a collaged paper and tape room installation in her third solo show at the Jette Rudolph Gallery.# The title ‘Autopilot’ suggests the link, typical in Tine Benz’ work, between the virtual and the real within various aspects of life. The artist pieces together geometric architectural quotations to form deserted urban settings which seem to explode with depth. The strong vanishing points and one-point perspective are themselves no more real than the computer generated airplanes and military objects which they support. However, Benz derails the idea that the environments she depicts exist in a parallel world generated from the autonomous process of painting. Instead, as is the case with autopilot, she remains the final decision maker.# The complexity of Benz’s work is displayed in her multi layered painting technique as well as in the mixed materials, particularly the metallic pigments, she utilizes. The reflective metallics create a mirror of a universal metropolis, fixing the image of the viewer within the virtual city. The viewer becomes a part of this city, wandering up and down the rows of marking tape with the painted city as a backdrop. Christoph Tannert describes her work in New German Painting: “Tine Benz transforms metropolitan research on a fictitious cyber Berlin-New York into enormous paper collages, spiced up with glittering pavement marking tape and otherworldly constructivism.” (Remix, Munich, London, NY 2006, S.29.)# Tine Benz relates the experiences of a traveler within the anonymity of large cities. Within her paintings identity, culture, and subculture are transformed into a orderly, timeless, superordinate perspective of space. Often the viewer believes to have spotted specific buildings within the abstractions and collages, and fills in the missing details from memory. Despite the soberness of Tine Benz’ work, an individual experience is always possible.# # _____________ TINE BENZ 1969 geboren in Neuss, 1993- 2000 Studium der Bildenden Künste an der HdK Berlin bei Prof. Georg Baselitz, 1997 Stipendium, Chelsea College of Art, London, 2000 Ernennung zur Meisterschülerin, 2002 DAAD-Stipendium, Rotterdam Ausstellungen: 2007 Benz, Pagenkemper, Sendlinger, MAC Istanbul (Kat.); rewind<<>>fast-forward, Kunsthaus Freiburg, Kuration: Silke Bitzer (G); 2006 Blank Walls Are Criminal, Galerie Jette Rudolph, Berlin (S); Urban Spaces, DinA4Projekte München, Kuration: Dr.Patricia Drück/ Max Planck Gesellschaft (G); From Here To Galaxy I, Art-in-Architecture, Bayer- Werke Leverkusen (G); Meltem of Istanbul, Tine Benz mit F.Feldmann, J.Meese, L.A.Pagenkemper, J.Wohnseifer, Museum Elgiz Istanbul, Kuration: Dr.Necmi Sönmez (G) (Kat.); 2005 Dortmunder Kunstverein (S) (Kat.); Artforum, Berlin (S); 2004 „Panic Room“, Schloß Ringenberg, Düsseldorf (S); 2004 „Neue Werkstrategien #2“, Museum Folkwang, Essen (G); GASAG, Kunst-am-Bau (G)
Ort: Galerie Jette Rudolph bis: 2007-08-31
Künstler: Ronnie Bass, David Buob & Susan Schmidt, Greif & Hennig, Janne Lehtinen, Claudia Lindner, Bea Meyer
Thema: with Ronnie Bass, David Buob & Susan Schmidt, Greif & Hennig, Janne Lehtinen, Claudia Lindner, Bea Meyer/ / +NIEMALS SCHEITERN!* bringt künstlerische Positionen miteinander in Kommunikation, die sich mit den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Scheiterns auseinandersetzen. Die teilnehmenden KünstlerInnen untersuchen diese Möglichkeiten indem sie sich entweder konkret auf Personen und deren soziale Situation beziehen oder indem das Gegensatzpaar aus Scheitern und Niemals Scheitern! formell in der Arbeit angelegt ist. Der Titel der Ausstellung „Niemals Scheitern!“ setzt eine inhaltliche Klammer, die darauf verweist, dass in der aktuellen gesellschaftlichen Realität Scheitern keine Option ist und wohl kaum eine Chance. Die Ausstellung vereint die Arbeiten von jungen Künstler/Innen, die mit frischem Esprit verschiedenste Medien künstlerischen Ausdrucks benutzen.
Ort: Galerie Jette Rudolph bis: 2007-07-28
Künstler: Klaus- Martin Treder
Thema: Methodisch- systematisch, analytisch- mathematisch könnte man die neuen Arbeiten von Klaus- Martin Treder (geb. 1961, lebt und arbeitet in Berlin) nennen, wie sie in der neuen Ausstellung in der Galerie Jette Rudolph gezeigt werden, wenn nicht schon der Titel den Kontrapunkt und somit ein Geheimnis in die Arbeiten legen würde und auf ein Anderes verweist.# Klaus- Martin Treders Ausgangspunkt bilden abstrahiert Stilisierungen und Formalismen aus der Welt des Comics oder Logodesigns. Hieraus entwickelt er eine neue Formensprache, die in der zweidimensionalen Ebene des Bildes sowie im dreidimensionalen Raum der Plastik miteinander korrespondiert, dabei werden organische und kristallin- geometrische Objekte in Beziehung zueinander gesetzt.# Mit der Berechnung neuer Farbwerte und dem Inszenieren der ohne weitere Retuschen aufgetragenen Malerei auf die Träger Leinwand, Aluminiumblech oder Holz potenziert sich die Möglichkeit der Wirkung der Farbwerte, eben auch durch ihre Opazität und Reflektion am Träger selbst bis ins Unendliche. So beschreibt Klaus- Martin Treder Farbe ebenso wie einst Körper geometrisch beschrieben worden sind, zerlegt sie in ihre Einzelteile und gibt ihr einen doppelten Boden durch ihre wiederum geometrische Anordnung auf der Bildfläche, macht Farbe in ihren Raumkoordinaten (x, y, z) mehrdimensional sinnlich erfahrbar und zu einem architektonisch eingebundenen Gesamtkonzept. Malerei wird Konstruktion. „(...), (..) eines der wesentlichen merkmale des menschen (ist) das denken. das denken ermöglicht auch, gefühlswerte in einer weise zu ordnen, (...), das urelement jeden bild- werks aber ist die geo- metrie, die beziehung der lagen auf der fläche oder im raum. (...)verhältnisse(,) des verhaltens von ding zu ding, von gruppe zu gruppe, von bewegung zu bewegung. und weil sie diese grundlegenden dinge in sich schliesst und sie sinnvoll in beziehung setzt, ist es nahe liegend, dass solche ereignisse auch dargestellt werden, bild werden.“ (max bill, die mathematische denkweise in der kunst unserer zeit; in: Konkrete Kunst. Manifeste u. Künstlertexte, Hrsg.: Margit Weinberg Staber, Zürich 2001)# Der visuellen wie inhaltlichen Rezeption der Treder'schen Bilder und Objekte steht das Wort/ der Text zur Seite, indem die Betitelung derselben in Form gerahmter Plakate das Gesehene kommentiert, die Wortschöpfungen stehen hier kongenial neben den Bildschöpfungen und bestimmen deren Ästhetik als visuelle Komponente mit. Das Wort wird zur Untermalung der Farbwerte gesetzt und ist ganz entgegen seiner eigentlichen Funktion auf den ersten Blick nicht erklärend oder beschreibend gebraucht- Sprache steht hier nicht im alleinigen Anspruch, Werkzeug des Geistes zu sein. Vielmehr: Das Wort gesellt sich dazu, ganz wie ein Zersetzer konfundiert es bestehende Formen und Normen, um die Rationalität der Arbeitsschritte aufzulösen, unterwandert die Statik der Werke Klaus- Martin Treders und macht aus der Idee des Subjekts ein mehrdimensionales Objekt und fordert mit allem, was dem Rezipienten gegeben ist, die Farbe am Träger eingebunden in den architektonischen Rahmen geistig- reell neu zu erfassen. Sprache und Geist, ratio und oratio, werden wieder zu Wechselbegriffen: “Alle geistige Bewältigung ist an diesen doppelten Akt des >>Fassens<< gebunden: an das Begreifen der Wirklichkeit im sprachlich- theoretischen Denken und ihr >>Erfassen<< durch das Medium des Wirkens; an die gedankliche wie an die technische Formgebung.“ (Ernst Cassirer: Form und Technik; Technikphilosophie, Hrsg.: Peter Fischer, Reclam Verlag Leipzig, 1996)# „keine angst … ich sterbe … nicht hier“ ... dann wollen wir sagen: „gut so …!“# Julia Kolodziej, Jette Rudolph
Ort: Galerie Jette Rudolph bis: 2007-06-03
Künstler: Lea Asja Pagenkemper
Thema: Matthias Ulrich/ Schirn Kunsthalle Frankfurt/ M interpretiert die Malerei von Lea Asja Pagenkemper als „Veduten des Underground (...) als Memento Mori des Pop“, als eine „prekäre() Malerei(), (...) die die Hässlichkeit des Lebens in eine poetische Faszination befördert und das transzendentale Subjekt aus seinem (...) distanzierten Platz bewegt.“ (Unveröffentlicht, 1995)# Lea Asja Pagenkemper (*1976 i. Berlin) hat ihre dritte Soloshow in der Galerie Jette Rudolph mit einem Wort, „ME“, überschrieben und zielt auf die Inszenierung eines modernen Selbstporträts ab. Wie schon in ihren Serien klein- und grossformatiger Arbeiten von 2004- 06 spielt das in fragmentarischer Weise vorgetragene Motiv des urbanen Raums die Hauptrolle, worin die Figur des Menschen fehlt aber eben gerade noch so viel anwesend ist, um eine Spur zu hinterlassen, einen Gedankenklang. Es bevölkern grellfarbene Graffitis und Tacks die Leinwände als Ausdruck für die Rebellion gegen die herrschende Topographie der Städte („A.S.J.A“) sowie die vglw. zarten Töne von Pastellkreide oder Feinhaarpinsel als Medium subtil vorgetragener narzisstisch aggressiver Sätze, Aphorismen und Parolen („Born to paint“).# In dieser bisweilen ornamentalen Verkettung losen Stückwerks von Text und Motiv fügt sich das Selbstbild der Künstlerin im Sinne des Neuen Individualismus, aber poetischer verstanden aus der Perspektive von Oscar Wildes „The Soul of Men“ (1895) mit der Behauptung der individuellen Kreativität des Künstlers gegenüber dem gesellschaftlichen Konformismus. Bei Pagenkemper wird gedisst, was das Zeug hält: So ist „Romantick“ ein Affront gegen die sich in Traditionen flüchtende neue Malereiszene und wartet mit dem Klischee kahlen braunen Geästs vor grauem Hintergrund auf.# Nichtsdestotrotz spielt Pagenkemper in ihren neuesten Malereien lustvoll mit dem Einsatz von Relikten der Natur im Stadtraum inform dürrer Bäume, die irrational wie eigenwillig ein Gespinst feinlinearer Strukturen über das Bild legen, um eben noch aufstrebend von einem dunklen Steinbrocken oder querliegenden Brett erdrückt zu werden. Auch wenn Pagenkemper auf tiefenillusionistische Bildwirkungen verzichtet, so gewinnen ihre Arbeiten mit der mehrfachen Schichtung der Farblasuren eine eigenwillige räumliche Dynamik. Diese existentielle Grundstimmung als auch die experimentelle Mischung der malerischen und zeichnerischen Mittel Öl, Acryl,Spray, Kreide oder Edding erinnern an die altmeisterlich vorgetragenen aber von Zerfall geprägten Veduten des Engländers Nigel Cooke sowie an die expressiv- gestischen Malereien des Berliner Realismus der 70er-80er Jahre.# In ihrer Verknüpfung von Landschafts- und Stadtzitat mit lyrischen Textpassagen rückt Pagenkemper mittels einer bewussten Abkehr von der imaginativ tiefenillusionistischen Raumperspektive die Realität erbarmungslos ans Auge des Betrachters heran. Der Nachklang bleibt: Wer bin ich? Und was mach ich hier? Sie gibt keine Antworten, aber im Hinsehen wird bewusst, daß nicht der schnöde Schnörkel auf der Hauswand von Bedeutung ist als vielmehr der Gedanke, den eine menschliche Seele hier als Spur hinterließ.# Julia Kolodziej, Jette Rudolph
Ort: Galerie Jette Rudolph bis: 2007-04-21
Künstler: Natalie Czech
Thema: Pressemitteilung Natalie Czech (geb. 1976, in Neuss) realisiert nach der großen Resonanz auf ihre Arbeiten in der Gruppenausstellung „Surreal“ in der Galerie Jette Rudolph die aktuelle Soloshow „Daily Mirror“. Die Künstlerin arbeitet mit dem Medium Fotografie und nutzt für ihre Arbeiten die digitalisierten Aufnahmen aktueller politischer und gesellschaftlicher Themenkomplexe, die sie Nachrichtenarchiven oder Bildagenturen entnimmt. Dabei steht die Frage nach der Aktualität und dem Wirklichkeitsbezug der Fotografie, sowie der Aussagefähigkeit eines Bildes im Vordergrund, v. a. wenn sich in der Multiplizierung der Bildausschnitte Raum und Zeit zu überlagern scheinen und trotzdem evident im gesellschaftlichen Gedächtnis verankert sind. Die Aufarbeitung des Mediums Bild läuft nach ganz besonderen Kriterien ab, insbesondere werden solche Vorlagen gesucht, die bestimmte Erinnerungen abzurufen in der Lage sind. In der viermaligen Variation der „Holes“ (Lambda- Prints, 2006, s/ w, je 30 x 37,5 cm) wird die Unmittelbarkeit der Zerstörung sichtbar und aufgrund der Rezeption durch die Medien als ein Symbol für den Krieg und den Terror lesbar. Verglichen damit lösen die Arbeiten „Aftermath“ (Lambda- Print, 2006, 135 x 175,7 cm) und „Sea of Flowers“ (Lambda- Print, 2005, 180 x 270 cm) persönliche Trauer aus. Natalie Czech arrangiert dabei die Trümmer von Häusern und Baumstämmen, bzw. Blumen auf einer Bildebene, die von unten nach oben verlaufend sich perspektivisch verkleinert und somit einen dramatischen Sog evoziert, der ein Gefühl der Unendlichkeit erzeugt. Diese scheinbare Endlosigkeit verleiht der Trauer etwas Ewiges und vergegenwärtigt den „memento mori“- Gedanken, der in der allgemeinen und individuellen Todesvorstellung gipfelt und zu einem neurotischen Leiden wird, als eine Art kulturelles Vermächtnis. Neben den formal- ästhetischen Gesichtspunkten wie Licht und Komposition werden auch persönliche Erfahrungen mit dem Bild wahrgenommen wie gesellschaftliche und individuelle Werte von Moral und Ethik, aber auch Trauer und materieller Verlust von Existenzen. Durch das Collagieren und Montieren der gleichartigen Motive, das minutiöse Hineinzoomen, Fragmentieren und wieder neu zusammensetzten der Realität entsteht ein Kosmos neuer Bildwelten. Die Erfahrung an der Unmittelbarkeit, die während der „Operation“ am Bild den strukturellen Prozess der Symbolisierung am Medium Foto manifestiert, verweist auf die dem Medium zugrunde liegende vereinheitlichende Form. Die entfremdete Bildwirklichkeit wird in der Serie „Daily Mirror“ zur Nahaufnahme, zersprengte Oberflächen setzen sich in einer permanenten Wiederholung und Aneinanderreihung zusammen. “Photographie, die zur Welt gehört, begegnet uns immer als Fragment. (…) die Anwesenheit der Photographie durch ihren Zustand der Evidenz, Spur oder Überrest (ist) immer nach innen gebogen.“ (Rosalind Krauss in: Das Photographische. Eine Theorie der Abstände; hrsg. G. Boehm, K. Stierle, W. Fink Verlag, München 1998). Die wichtigste Ebene der indexikalischen Bedingung- die synkategorematische Bedingung (dabei handelt es sich um das Verständnis von Bedeutung, bzw. überhaupt Vorhandensein eines Abdrucks/ Fotos)- ist nicht nur die zufällige Zusammenfügung von assoziativen Fragmenten vom Raum des Denkens, sondern ebenso sehr der äußere Raum, die Realität (ebd. S. 161). Sie finden ihre Evidenz in der Verallgemeinerung und Standardisierung und formen eine perspektivisch aus verschiedenen Richtungen zusammenlaufende Bildrealität. So wird das innere „Arrangement“ der Dokumentation der modernen Welt und ihren „kulturellen Auswüchsen“ mit der ästhetischen Diskussion kombiniert. J. Kolodziej
Ort: Galerie Jette Rudolph bis: 2006-02-24
Künstler: B. Braun, N. Czech, T. Ernst, L.A. Pagenkemper
Thema: Unter dem Motto +SURREAL* zeigt die Galerie Jette Rudolph neue Positionen vier junger Künstler, in denen die Wirklichkeit in traumgleiche Bilder zusammengesetzt wird.# Der Automatismus der freien Assoziation einerseits und der Traum andererseits ist durch das gemeinsame Konzept des irrational aufgefassten, metaphorischen Bildes miteinander verbunden (nach Wilhelm Rubin). Die Wahrnehmungsstrukturen werden aus ihren logischen Assoziationen herausgelöst und verschoben, der Gedanke wandert von der zweidimensionalen Formensprache des Bildes in die dreidimensionale Ebene der Plastik. Die Reproduktion des Seelischen liegt im Empfinden des kaum Erfassbaren, ist ein Spiel zwischen den Irrungen und Wirrungen gegen die Raum– Zeit- Realität.# +Björn Braun* (geb. 1979 in Berlin) wird den Rezipienten mit dem realistischen Unrealistischen verwirren, wenn zum Beispiel sein Vogelhäuschen, aus einem ausgestopften Kuckuck erarbeitet, den Blick erwidert. Der Künstler gibt seinen Collagen alter Buchseiten und Objekten aus Naturmaterialien eine neue, den eigentlichen Sinn des Wortes/ Gedankens aufgreifende Form. Dabei sind Sinn und Form so eng miteinander verwoben, dass das Bild/ Objekt in seiner Umformung neu erfahrbar wird, das Wort also metaphorisch zerlegt und in seinem Abstrakt wieder zusammengesetzt wird. Der Betrachter ist herausgefordert aus seinem Formenrepertoire zu assoziieren und alte Sinnzusammenhänge neu zu denken.# +Natalie Czech* (geb. 1976 in Neuss) arbeitet aus dem Fundus der digitalisierten Fotografie aktueller und politischer Themenkomplexe heraus und fragt während der „Operation“ am Bild nach der Aktualität und dem Wirklichkeitsbezug des Medium Foto. Die entfremdete Bildwirklichkeit wird in der Serie Daily Mirror zur Nahaufnahme, zersprengte Oberflächen setzten sich in einer permanenten Wiederholung und Aneinanderreihung zusammen und finden ihre Evidenz in der Verallgemeinerung und Standardisierung, formen eine perspektivisch aus verschiedenen Richtungen zusammenlaufende Bildrealität.# +Tim Ernst* (geb. 1977 in Köln) führt mit seinem aus Sand gezogenen „Ritenkreis“ den Betrachter in die Tiefen einer aus Erinnerungen zusammengebauten Welt. Dabei verdichten sich die verschiedenen Medien aus Malerei und Objektinstallation zu einer komplexen, die Zweidimensionalität des Bildes aufbrechende Narration aus Erlebtem und Gesehenem. Durch das Rezitieren mystischer Elemente, wie dem weißen Pentagramm, Fragmenten aus Comic (Tim aus: „Tim & Struppi“) und Realität (Turnschuhe) wird der Ehrzählfaden abgerissen und der Betrachter findet sich in einem zerbrechlichen Gefüge wieder, in dem der Traum zur Realität wird und nicht mit der logischen Assoziation zu erfassen, sondern vielleicht mit Intuition und Emotion begreifbar wird.# +Lea Asja Pagenkemper* (geb. 1976 in Berlin) komponiert in mehrmaligem Farbauftrag pastoser und lasierender Farbschichten ihre großformatigen Bilder, eine in ihre kleinsten Teile zerlegte Wirklichkeit, geschöpft aus den Fragmenten des urbanen Raums, vermischt mit Landschaftszitaten und lyrischen Passagen, die auf ein Minimum reduziert, wieder zusammengefügt wurden. Durch die Transparenz der Farben und die Reflektion des Lichtes durch die einzelnen Farbschichten hindurch zur Leinwand, gewinnen ihre Bilder räumliche Tiefe, bekommen einen haptisch erfahrbaren Resonanzkörper. Dabei entstehen abstrakt anmutende Werke von entrückter Schlichtheit, gepaart mit einem subtilen Seeelenempfinden.