Ort: Kunsthalle Tübingen bis: 2018-10-21
Künstler: Zharko Basheski, Berlinde De Bruyckere, Maurizio Cattelan, Brian Booth Craig, John Davies, John DeAndrea, Keith Edmier, Carole A. Feuerman, Daniel Firman, Robert Gober, Robert Graham, Duane Hanson, Mathilde ter Heijne, Sam Jinks, Peter Land, Marie-Eve Levasseur, Tony Matelli, Juan Muñoz, Ron Mueck, Evan Penny, Patricia Piccinini, Jamie Salmon, Gregor Schneider, George Segal, Marc Sijan, Xavier Veilhan
Thema: Almost Alive – „fast lebendig“ erscheinen die Skulpturen, die von den wichtigsten internationalen Vertretern des Hyperrealismus erschaffen wurden. Die Kunsthalle Tübingen hat über dreißig Werke in einer fulminanten Schau versammelt und gibt damit erstmals einen Überblick über die Entwicklung dieser Skulpturengattung im 20. und 21. Jahrhundert. Dieser reicht von den späten 1960er Jahren bis in die Gegenwart. Sie ist damit die erste Ausstellung weltweit zur Entwicklung dieser Skulpturengattung im 20. und 21. Jahrhundert. Ein besonderes Augenmerk legt die in einer Kooperation zwischen der Kunsthalle Tübingen und dem Institut für Kulturaustausch Tübingen entwickelte Skulpturenschau (Kuratoren: Nicole Fritz und Otto Letze) auf den kulturwissenschaftlichen Kontext der Fragestellung. So zeigt sie, dass die Darstellungen menschlicher Körperlichkeit stets vom jeweiligen Zeitgeist beeinflusst wurden und rückblickend als Spiegel zeitgebundener Körperkonzepte gelesen werden können. Während die Pioniere der hyperrealistischen Kunst in den 1960er Jahren den Körper als Produkt der Massengesellschaft vornehmlich als politisch-sozialen Körper in den Blick nahmen, tritt mit der Postmoderne in den 1980er Jahren der Körper als mentaler und emotionaler Resonanzraum in den Fokus. Künstler wie Marc Sijan, Sam Jinks oder Ron Mueck spiegeln in ihren veristischen, also wirklichkeitsgetreuen Skulpturen den Gegenwartsmenschen in seelischen Ausnahmezuständen und intimen existentiellen Momenten. Als Gegenbewegung zu den in den Medien massenhaft verbreiteten Bildern perfekt gestylter Körper thematisieren Gegenwartskünstler*innen heute verstärkt auch tabuisierte und ausgegrenzte Aspekte von Leiblichkeit. So stellen Robert Gober, Berlinde De Bruyckere oder Maurizio Cattelan den menschlichen Körper in ihren Werken fragmentiert und deformiert als verletzten Körper dar. Werke von Evan Penny, Tony Matelli oder Patricia Piccinini führen darüber hinaus auf verstörende Art und Weise vor Augen, dass die Grenzen zwischen dem menschlichen Körper und der Technik mittlerweile fließend und der Mensch im post-humanen Zeitalter in seiner jetzigen Gestalt selbst manipulierbar geworden sind. Die über dreißig ausgestellten Skulpturen aus der ganzen Welt (USA, Kanada, Australien, Schottland, Italien, Spanien, Belgien u.a.) faszinieren nicht nur in ihrem veristischen Realitätsgehalt und ihrer handwerklichen Präzision. Sie zielen nicht zuletzt auf den Betrachter, um uns unsere voyeuristischen mediengesteuertes Rezeptionsverhalten und die Verletzlichkeit und Fragilität des eigenen Körpers bewusst zu machen. Im Rahmenprogramm zur Ausstellung bringen wir in einer Abendveranstaltung Künstler, Politiker und Vertreter des entstehenden Cyber-Valleys in Tübingen zusammen und erweitern den Resonanzraum der Skulpturen durch Musik und einer Poetry-Slam Veranstaltung.
Ort: Kunsthalle Tübingen bis: 2017-10-29
Künstler: SHIRIN NESHAT
Thema: Die Kunsthalle Tübingen widmet der weltbekannten iranischen Künstlerin Shirin Neshat eine große retrospektiv angelegte Einzelausstellung. Neben den wichtigsten Werken ihrer verschiedenen Schaffensphasen präsentiert die Schau auch Arbeiten der Künstlerin, die das erste Mal in Europa zu sehen sein werden. Die iranische Künstlerin, Fotografin und Filmemacherin Shirin Neshat (*1957) ist insbesondere für ihre Auseinandersetzungen mit der Lage von Frauen in der muslimischen Welt bekannt. Sie wuchs in einem wohlhabenden, westlich orientierten Elternhaus auf und besuchte ein katholisches Internat in Teheran. Als 1979 Ayatollah Khomeini durch die iranische Revolution an die Macht kam, ging sie in die USA, um dort Freie und Darstellende Kunst zu studieren. 1990, ein Jahr nach Khomeinis Tod, kehrte sie erstmals in den Iran zurück, der sich durch die Revolution in der Zwischenzeit völlig verändert hatte. Auf diesen Wandel reagiert sie mit der international berühmt gewordenen schwarzweiß-Fotoserie Women of Allah (1993–1997), die zugleich den Beginn ihrer ersten wichtigen Schaffensphase als professionelle Künstlerin markiert. Die Aufnahmen zeigen Porträts von bewaffneten islamischen Frauen, deren von Kleidung unbedeckten Stellen, etwa an Gesicht oder Hände, mit Texten zeitgenössischer iranischer Lyrikerinnen in der Landessprache Farsi überschrieben sind. 1998 wechselt Neshat in das Medium Videoinstallation: Ihre Filmtrilogie Turbulent (1998), Rapture (1999) und Fevor (2000) gewinnt den Internationalen Preis der 48. Biennale di Venezia. Hatte sich die Künstlerin bislang vor allem mit der islamischen Kultur befasst, so beschäftigt sie sich nun stärker mit der Hinterfragung westlicher Wertvorstellungen, zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit der Sängerin und Performancekünstlerin Sussan Deyhim, die in ihrer Musik orientale und abendländische Stile kombiniert. In den Videoinstallationen Mahdokht (2004), Zarin (2005), Faezeh (2008), Munis und Farokh Legha (2009) kann eine dritte Werkperiode Neshats gesehen werden, weil sie sowohl eigenständige Videoarbeiten als auch Einzelsequenzen von Neshats abendfüllendem Spielfilm Women Without Men sind, mit dem die Künstlerin auf den 66. Filmfestspielen Venedig den Silbernen Löwen für die Beste Regie gewinnt. 2013 wird Shirin Neshat in die Wettbewerbsjury der 63. Internationalen Filmfestspiele Berlin berufen, 2017 präsentiert sie im Rahmen der Salzburger Festspiele eine multimediale Opernaufführung. Die große Übersichtsausstellung in der Kunsthalle Tübingen führt wichtige Werke aus allen Schaffensphasen von Shirin Neshat zusammen, von den berühmten ikonischen Schriftfotografien über die Single- und Multi-Channel-Videoinstallationen bis hin zu ihren jüngsten Werkblöcken wie zum Beispiel The Book of Kings. Der programmatische Ausstellungstitel Frauen in Gesellschaft adressiert dabei zwei stetig wiederkehrende Themen in Neshats Oeuvre: einerseits die Rolle der Frau in muslimischen, patriarchischen Gesellschaften und andererseits die Nachwirkungen von Erlebnissen, die eine Frau für den Rest ihres Lebens prägen und in deren Gesellschaft sie sich also fortan befindet. Beide Aspekte beschreibt Shirin Neshat mit ihrer Kunst in poetischer, geheimnisvoller Ambivalenz. Der zwischen Fotografie und Bewegtbild mit Ton ausbalancierte Parcours wird sich durch die gesamte Kunsthalle Tübingen ziehen ganz neue Werke präsentieren, die zuvor in Europa noch nie zu sehen waren. Kurator: Dr. Holger Kube Ventura Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes
Ort: Kunsthalle Tübingen bis: 2017-06-11
Künstler: Ruben Aubrecht, Mark Boulos, Florian Haas, Sven Johne, Johanna Kandl, Gabriel Kuri, Christin Lahr, Filip Markiewicz, Gunter Reski, Superflex, Paolo Woods/Gabriele Galimberti, Holger Wüst, Ulrich Wüst
Thema: „Ich bin soweit, dass ich in fünf Wochen mit der ganzen ökonomischen Scheiße fertig bin“, schrieb Karl Marx im Frühling 1851 an Friedrich Engels. Selten lag jemand mit einer Einschätzung gründlicher daneben. Stattdessen wurde für Marx die Kritik der Politischen Ökonomie zur Lebensaufgabe und hat auch heute nichts von ihrer Dringlichkeit und Tragweite verloren: Denn zum einen ist die Analyse von „Das Kapital“ nach wie vor eine Großbaustelle der Politikwissenschaften und der Wirtschaftstheorien und zum anderen wird die Kluft zwischen Arm und Reich weltweit stetig größer und die soziale Ungleichheit steigt an. Marx hatte dargelegt, dass dies von Menschen gemachte Verhältnisse sind. Sie als unvermeidliche Nebeneffekte eines eigentlich richtigen Systems zu denken, wäre nach Marx selbst Effekt einer Kraft, die er – in Analogie zu religiösen Einbildungen – als Warenfetisch bezeichnete. Vielleicht sind es im Kern Kapitalströme, die heute jeden Wandel der Welt bestimmen, nicht nur in Wirtschaft und Politik, sondern auch mit Blick auf soziale, kulturelle, wissenschaftliche oder ökologische Entwicklungen. Grenzüberschreitende Investitionen und Handel scheinen alle Daseinsbereiche zu prägen. Durch die zunehmende Globalisierung der Märkte ist der Import und Export von Kapital – sei es in Form von Geld, materiellen oder immateriellen Gütern oder Menschen – zum allgegenwärtigen Modus geworden, zu einer scheinbar zwangsläufigen Notwendigkeit beziehungsweise zu einem Selbstzweck. Wie könnte man sich dies bildhaft vorstellen? Im Rahmen ihrer Wiedereröffnung nach langer Umbaupause und als Pilot ihres neuen Programms zeigt die Kunsthalle Tübingen von März bis Juni 2017 unter dem Titel KAPITALSTRÖMUNG eine thematische Gruppenausstellung auf etwa 800 Quadratmetern in sieben Räumen. Die beiden Teile dieses Titels bieten Konnotationen, die in unterschiedlicher Weise auf die Werke der 13 beteiligten Künstler bezogen werden können. So meint „Kapital“ nicht nur Produktionsmittel sowie Real-, Geld- und Humankapital in Form von Waren, Wertpapieren und Arbeitskräften, sondern bringt auch Marx’ berühmte Theorie ins Spiel. Und „Strömung“ kann einerseits als unweigerliche, quasi natürliche Bewegung verstanden werden – hier also: von Kapital – und anderseits somit als ein kapitalistischer Trend oder eine organisierte Ideologie. Den Werken dieser Ausstellung geht es um Bilder von Kapitalströmen und vom Status Quo des globalen Kapitalismus: Künstlerisch kommentierende oder abstrahierende Bilder vom Wert des Geldes (z.B. am Finanzwirtschaftszentrum Frankfurt oder im Steuerparadies Kaiman-Inseln), von kapitalistisch gedachten Menschenströmen (aus etwa Touristen oder Flüchtlingen) und von der Eigendynamik des Reichtums; Bilder zu medialen Brandmarken wie „Luxemburg-Leaks“, „Panama Papers“ oder „Euro-Krise“ – aber auch von Befreiungsmomenten. Die versammelten und zum Teil eigens angefertigten Werke (Malereien, Zeichnungen, Videos, Installationen, Wandbilder, Fotografien und Skulpturen) betonen dabei die Anschauung: Sie kreisen eher um Metaphern, symbolische Gesten, Indizien und Zuspitzungen, als um konkrete Fallanalysen. Die beteiligten Künstler nähern sich ihren Sujets eher assoziativ, als über journalistische Recherchen oder politische Stellungnahmen. Einige von ihnen sind augenscheinlich von Karl Marx‘ Theorien zu Kapital, Arbeit und Ware inspiriert und suchen nach künstlerischen Übersetzungen dieser Theorien in die Gegenwart, also nach symptomatischen Phänomenen. Andere zeigen erstens, dass auch Kunstwerke Elemente internationaler Kapitalströme sind, und zweitens, wie die willkürlich erscheinende Entwicklung von Preisen und Werten selbst zu einem künstlerischen Sujet werden kann.
Ort: Kunsthalle Tübingen bis: 2014-08-31
Künstler: Albrecht Dürer, Albrecht Altdorfer, Hans Burgkmair, Lucas Cranach, Israel van Meckenem, Lucas van Leyden, Bernhard Strigel, Hans Sebald Beham, Hans Maler, Jörg Breu, Michael Ostendorfer, Matthias Gerung, Sigmar Polke, Andy Warhol
Thema: Die Zeit um 1514 ist voll spannender Ereignisse und Erkenntnisse. Im Bauernaufstand des Armen Konrad, im Bauernkrieg und in der Reformation empörte sich das Volk gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse und rief lautstark nach Freiheiten. Zur gleichen Zeit geschahen wegweisende Entdeckungen, blühte die Wissenschaft auf und setzten die Humanisten neue Maßstäbe. Das Renaissancezeitalter brachte großartige künstlerische Leistungen hervor und der Buchdruck eröffnete das Informationszeitalter. In dieser Epoche tiefgreifender Umbrüche wird unter der Führung Kaiser Maximilians I. am 8. Juli 1514 zwischen Herzog Ulrich von Württemberg und den Landständen der Vertrag zu Tübingen abgeschlossen. Er zählt europaweit zu den wichtigsten Verfassungsverträgen. Gegen die Übernahme der herzoglichen Schulden garantierte das Abkommen einem selbstbewussten Bürgertum das Recht auf Freizügigkeit, faire Gerichtsverhandlungen und Mitsprache bei der Regierung. Von 1514 bis zur Aufhebung des Vertrags 1805 rangen die Württemberger mit ihren Fürsten um die vertraglich vereinbarten Rechte und Pflichten. Dies prägte die Bevölkerung und ihr demokratisches Selbstverständnis. Mit über 260 hochkarätigen Exponaten aus großen europäischen Museen, Archiven und Sammlungen, erzählt die Ausstellung in einem breit gefächerten Panorama von den Errungenschaften und Ideen, aber auch von den Krisen und der politischen Willkür der Zeit um 1514. Sie thematisiert das Ringen um den Vertrag zu Tübingen und beschäftigt sich mit dessen Protagonisten, wie der machtvollen Persönlichkeit Kaiser Maximilians I., dem widersprüchlichen Herzog Ulrich oder den nach Freiheiten strebenden Bürgern und Bauern. Kein geringerer als Albrecht Dürer hat den gehaltvollsten und nach wie vor zutreffendsten Blick auf die Zeit um 1514 und seine Zeitgenossen geworfen. Auf höchstem künstlerischen Niveau beschrieb er die ehedem handelnden Personen und deren Standeszugehörigkeit in einem Spektrum, das vom Kaiser und den Fürsten, bis zu den Söldnern und Landsknechten, von den großen Humanisten, den Patriziern und Bürgern, bis zu den Handwerkern und Bauern reicht. Deshalb ist er, neben namhaften Künstlern wie Hans Burgkmair d.Ä., Albrecht Altdorfer, Lucas Cranach u.a. der wichtigste Zeitzeuge und Bildgeber der Ausstellung. Das Fortwirken des Vertrags vom 16. bis ins 19. Jahrhundert ergibt aufschlussreiche Begegnungen mit Kaiser Karl V. und Ferdinand I., den Herzögen Christoph und Karl Eugen von Württemberg sowie dem Preußenkönig Friedrich dem Großen. Noch im 19. Jahrhundert haben sich der Reformpolitiker Freiherr vom Stein, der Philosoph Hegel, die Patrioten Uhland und Hauff oder der Revolutionär Friedrich Engels mit dem Vertrag zu Tübingen auseinandergesetzt. Nicht zuletzt kommen zeitgenössische Künstler wie Sigmar Polke und Andy Warhol in der Ausstellung zu Wort, sofern sie auf historische Ereignisse und Persönlichkeiten Bezug genommen haben. Die Universitätsstadt und die Kunsthalle Tübingen nehmen die 500-jährige Wiederkehr der Vertragsunterzeichnung zum Anlass in einer großen, von Götz Adriani und Andreas Schmauder kuratierten Sonderausstellung auf die für Europa bewegende Zeitenwende vom Ende des Mittelalters zur Renaissance einzugehen und die historische Bedeutung des Vertrags zu Tübingen zu würdigen.
Ort: Kunsthalle Tübingen bis: 2013-08-25
Künstler: Birgit Brenner
Thema: Von der Zeitschrift Monopol wird Birgit Brenner als eine der „radikalsten zeitgenössischen Künstlerinnen" gefeiert. Die in Berlin lebende Stuttgarter Akademieprofessorin gestaltet ihre Werke aus den Dramen des täglichen Lebens. Für die Kunsthalle Tübingen entwickelt Brenner ihre bislang größte Installation. Die dreidimensionalen Skizzen aus Karton fügen sich zu einem Plot, in den der Besucher eintreten kann. Thema in Tübingen sind ein Verkehrsunfall und seine Folgen für die Beteiligten. In der von Textpointen begleiteten Inszenierung steigert sich der besondere Vorfall zur allgemeinmenschlichen Tragikomödie. Ein Lastwagen kracht in ein Wohnhaus. Damit fängt alles an. Wie dieses Ereignis das Leben des Fahrers und des in dem Haus wohnenden Paares beeinflusst, kann jeder erfahren, der die Ausstellung von Birgit Brenner in der Kunsthalle Tübingen besucht. Die kleinen und die großen Dramen des alltäglichen Lebens sind der Stoff, aus denen die Künstlerin ihre Arbeiten schafft. Dafür recherchiert sie in Illustrierten, im Fernsehen, in Internetforen von Amokläufern oder Suizidgefährdeten und im Leben selbst. Für die Kunsthalle Tübingen hat sie nun ihre bislang größte Installation entwickelt. Die Ausstellung gleicht dem dreidimensionalen Storyboard eines Doku-Dramas. Die Ausstellungsbesucher werden dazu animiert, im wahrsten Sinne des Wortes in die Geschichte einzutreten Skizzenhaft entfaltet Brenner in einem filmstudioartigen Aufbau ihre Geschichte. Aus einfachen Materialien wie Pappe und Papier, die sie bemalt oder mit Fotos beklebt, setzt sie die Grundzüge in Szene. Im Mittelpunkt steht der lebensgroße Unfallwagen. Aus dem Alltag gegriffene Motive ergänzen das von Textpointen begleitete Geschehen. Eine Fliege in der Poggenpohl-Küche oder Beteuerungen wie „Für immer und ewig“, denen dann doch „Rote Augen und Rotz“ folgen, wecken persönliche Assoziationsketten. Ergänzt wird die Installation durch eine Retrospektive von Zeichnungen und Kollagen auf DIN A4-Blättern, welche zwischen 1999 und 2009 entstanden sind. Auch die auf diesen zauberhaften kleinen Skizzen festgehaltenen Vorfälle sind Beispiele der allgemeinmenschlichen Tragikomödie: Hoffnungen, Wünsche und Lebensentwürfe scheitern an der Macht der Gegebenheiten. Glücksmomente wenden sich durch falsch getroffene Entscheidungen in ihr Gegenteil. Birgit Brenner wurde in Ulm geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin und in Stuttgart, wo sie Professorin an der Kunstakademie ist. Von der Zeitschrift Monopol wird sie als eine der „radikalsten zeitgenössischen Künstlerinnen" gefeiert, „die sich in der Umsetzung ihrer künstlerischen Ideen nicht auf ein Medium beschränkt.“ Auf dem internationalen Kunstmarkt wird Brenner von dem prominenten Leipziger und Berliner Galeristen Judy Lybke vertreten, der auch Künstler wie Matthias Weischer oder Neo Rauch groß gemacht hat. Erst in jüngster Zeit, etwa auf der Frieze Art Fair in New York, konnte Lybke mit der unkonventionellen Künstlerin beachtliche Verkaufserfolge erzielen. Zu der Ausstellung erscheint mit Unterstützung der Kreissparkasse Tübingen ein Katalog, herausgegeben von Daniel J. Schreiber, mit Texten von der Künstlerin, dem Herausgeber, dem SWR2-Filmkritiker Herbert Spaich und der Erfolgsautorin Juli Zeh. Da der Katalog auch Aufnahmen von der Ausstellung enthält, kann er erst im Rahmen eines Podiumsgespräches mit der Künstlerin, Herbert Spaich und Daniel J. Schreiber am 21. Juli um 16 Uhr der Öffentlichkeit präsentiert werden. Ergänzend zu der Ausstellung von Birgit Brenner wird eine Auswahl an Porträts und Landschaftsbildern von Georg Friedrich Zundel (1875-1948) gezeigt. Zundel ist um 1900 durch seine Arbeiterbilder bekannt geworden, die ebenfalls von einem hohen Maß an Sensibilität für das menschliche Schicksal zeugen. Der aus Iptingen stammende Zundel lebte von 1927 an in Tübingen. Seine zweite Ehefrau Paula, eine Tochter des Industriellen Robert Bosch, hat ihm zu Ehren die 1971 eröffnete Kunsthalle gestiftet. allgemeinmenschlichen Tragikomödie. Hoffnungen, Wünsche und Lebensentwürfe scheitern an der Macht der Gegebenheiten. Die kassierte Versicherungssumme befördert das Lebensglück nicht; die lang ersehnte Geburt eines Kindes rettet die Ehe nicht; und die endlich gefundene Geliebte entpuppt sich als Ausbeuterin. Parallel zu der Ausstellung von Birgit Brenner soll eine Auswahl an Porträts und Landschaftsbildern von Georg Friedrich Zundel ausgestellt werden.
Ort: Kunsthalle Tübingen bis: 2013-06-16
Künstler: Santiago Sierra
Thema: Santiago Sierra Skulptur, Fotografie, Film 23. März bis 16. Juni 2013 Santiago Sierra ist für seine drastischen Performances weltweit bekannt: Er ließ politische Flüchtlinge gegen einen Mindestlohn stundenlang einen einseitig an der Wand befestigten Balken aus Holz und Teerpappe stützen; er stellte 21 rechteckige Module aus menschlichen Fäkalien,welche von indischen Latrinenreinigern hergestellt wurden,in der Londoner Lisson Gallery aus; er veranlasste die Befüllung des Erdgeschosses des Ausstellungshauses der Kestnergesellschaft mit 320 m3 schlammigen Material; er ließ Arbeiter stundenlang an einem Holzbalken angebunden verharren und er warfdas aus einer Futtermischung nachgeformte Griechenlandmodell Schweinen zum Fraß vor. Der in Madrid lebende Spanier hat es sich zur Aufgabe gemacht, die strukturelle Gewalt politischer und wirtschaftlicher Systeme schmerzhaft deutlich zur Anschauung zu bringen. Ein Blick auf die 1971 gegründete Kunsthalle Tübingen lässt wesentliche Grundlagen für Sierras Werk zum Vorschein kommen: Hier kamen in den frühen Jahren die wichtigsten Positionen von Minimal Art, Konzeptkunst und Fluxus zur Ausstellung, die für ihn so prägend sind. Der Prozesskünstler Franz Erhard Walther ist dabei eine zentrale Persönlichkeit. Sierra besuchte an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg Anfang der 1990er Jahre seine Klasse als Gasthörer. Walther begründet im Frühjahr 1972 eine lange Reihe experimenteller Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in der Kunsthalle Tübingen, an deren vorläufigem Endpunkt nun Sierra steht. Zu sehen war damals unter anderem Walthers berühmter 1. Werksatz, eine 58-teilige Serie aus abstrakt geformten textilen Stücken, die zusammengerollt auf dem Boden liegen, um vom Besucheraufgenommen und durch Körperhandlungeninterpretiert zu werden. Wie Walther zielt Sierra darauf ab, den Betrachter in das Kunstwerk zu involvieren. Doch während es in Walthers Werk um rein ästhetische Kompositionsschemata geht, zwingen Sierras Arbeiten den Betrachter zu einer Stellungnahme in dem von Ausbeutung und Ausgrenzung gekennzeichneten System der globalisierten Wirtschaft. Mit der Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen werden nun zum ersten Maldie Relikte von einigen wichtigen Performances von Sierrain einer retrospektiv angelegten Schau gezeigt.Unter anderem zu sehen sind 20 quaderförmige Blöcke aus menschlichen Fäkalien, welche Santiago Sierra von indischen Unberührbaren formen ließ. Ein Raum der Ausstellung ist mit Schlamm bedeckt: eine Rekonstruktion der Ausstellung in der Kestnergesellschaft Hannover, die Sierra mit braunem Morast ausfüllte - in Erinnerung an die Arbeiter, welche im Rahmen der nationalsozialistischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen den Maschsee mit dem Spaten auszuheben hatten. Eigens für die Ausstellung wurdedie InstallationShotswiedererstellt, eine Lautsprecherwand, aus der zu bestimmten Zeiten Gewehrsalven zu hören sind, die in einer Silvesternacht in der mexikanischen Stadt Culiacán aufgezeichnet wurden.Auch der Death Counter, eine LED-Leuchtband, auf welchem in Echtzeit die Todesfälle dieser Welt beziffert werden, wurdefürTübingen wieder in Betrieb genommen. Mit der Schwarze Flagge der Zweiten Spanischen Republik fordert Sierra zum Gedenken an die Opfer des Spanischen Bürgerkrieges auf. Die Rekonstruktion eines Balkens, den Asylanten in der Galerie Peter Kilchmann in Zürich horizontal an eine Wand zu halten hatten, ist ebenfalls zu sehen. Mit dem Aluminiumschild Door Platebetitelt Sierra Menschen, denen der Eintritt in die kulturelle Institution streng verboten ist - eine Arbeit, die wegen der weiten Fächerung des benannten Personenkreises, neben Leprakranken und Drogenabhängigen werden auch Angestellte und Hausfrauen benannt, den Betrachter in die Situation bringt, selbst ausgegrenzt zu werden. Neben weiteren Arbeiten zeugen umfangreiche filmische, akustische, fotografische und zeichnerische Dokumentevon Aktionen des Künstlers.Nach Tübingen wandert die Ausstellung in verändertem Zuschnitt in die Sammlung Falckenberg - Deichtorhallen Hamburg. Santiago Sierra. Skulptur, Fotografie, Film, herausgegeben von Dirk Luckow und Daniel J. Schreiber, mit Texten von Juan Albarrán, Caros Jiménez, Dirk Luckow, Miriam Schoofs und Daniel J. Schreiber Preis: 29,80 Euro Kuratorenführungen: Sonntag, 21. April, 16.00 Uhr (mit Präsentation des Kataloges) Dienstag, 14. Mai, 17.30 Uhr (statt der öffentlichen Führung) Sonntag, 16. Juni, 11.30 Uhr (zum Ausstellungsende mit Quiz)
Ort: Kunsthalle Tübingen bis: 2013-03-10
Künstler: John Baeder, Robert Bechtle, Charles Bell, Tom Blackwell, Chuck Close, Robert Cottingham, Don Eddy, Richard Estes, Audrey Flack, Franz Gertsch, Ralph Goings, Gus Heinze, John Kacere, Ron Kleemann, Richard McLean, Jack Mendenhall, David Parrish, John Salt, Ben Schonzeit, mit Anthony Brunelli, Davis Cone, Robert Gniewek, Clive Head, Don Jacot, Ben Johnson, Bernardo Torrens, Roberto Bernardi, Peter Maier, Yigal Ozeri, Robert Neffson, Raphaella Spence
Thema: Die große Bilderschau in der Kunsthalle Tübingen bietet erstmals einen Gesamt-überblick über den Fotorealismus. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Anfän-gen der Bewegung, die in den USA der 1960er-Jahre mit faszinierend realisti-schen Öl- und Acrylgemälden auf die Bühne trat. Von dem New Yorker Galeristen Louis Meisel benannt und gefördert, erlangte der Fotorealismus 1972 bei der Documenta seinen internationalen Durchbruch. Neunzehn Begründer der Bewe-gung, darunter elf Documenta-Künstler, sind in Tübingen vertreten. Darüber hin-aus zeigt eine prominente Auswahl von dreizehn jüngeren Künstlern, wie sich der fotorealistische Ansatz mit neuen technischen Möglichkeiten fortentwickelt hat. Nach Tübingen wird die 54 Werke umfassende Ausstellung im Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid und im Birmingham Museum zu sehen sein. Als in den 1960er-Jahren junge amerikanische Künstler unabhängig voneinander nach Fotovorlagen zu malen begannen, bot ihnen der New Yorker Galerist Louis Meisel eine gemeinsame Plattform. Er war es auch, der anlässlich einer Ausstellung 1969 den Begriff »Fotorealisten« prägte und eine erste Definition dafür abgab: Es handele sich um Künstler, die »ganz ungeniert die Fotokamera für ihre malerischen Vorlagen« verwenden, die ebenso selbstverständlich für die Übertragung der Motive auf die Leinwand technische Hilfsmittel, etwa Diaprojektoren, in Anspruch nehmen und doch vor allem mit Disziplin und handwerklicher Fertigkeit Bilder vollenden, die sich an fotografischen Qualitäten orientieren. Meisels Engagement für die neue Bewegung war mutig, hatten doch Alfred H. Barr, der Gründungsdirektor des Museum of Modern Art in New York, und der einfluss-reiche Kunstkritiker Clement Greenberg die Abstraktion als unumkehrbares Entwicklungsziel der Moderne festgelegt. Die fotorealistische Malerei galt daher als doppelter Tabubruch: weil sie realistisch ist, und weil sie sich an der Fotografie orientiert, was der gängigen Meinung nach der künstlerischen Freiheit entgegenstehe. Schon die wenige Jahre älteren Pop-Art-Künstler hatten sich gegen die elitäre Kunstauffassung Barrs und Greenbergs aufgelehnt, als sie die Grenzen zwischen Hochkultur und Alltagskultur niederrissen. Diesen geradezu revolutionären Weg verfolgen die Fotorealisten auf ihre Weise mit großer Konsequenz weiter. Dank der Fotografie gelingt es ihnen, die normalen Dinge der Welt in die Kunst hineinzuholen und sie überdem durch die gewählten Ausschnitte und Lichtmomente in oft berückend schönem Glanz auf ihren Gemälden erstrahlen zu lassen. Als der Fotorealismus 1972 bei der Documenta 5 seinen internationalen Durchbruch feierte, reagierte die auf abstrakte Kunst abonnierte Kunstkritik nahezu einhellig negativ. „Pedanterie ersetzt Genie“, so spottete die Frankfurter Allgemeine Zeitung beispielsweise. Doch das Publikum gab den jungen Amerikanern Recht. Endlich wie-der eine Malerei, die zu verstehen war – und zu genießen! Schon früher hatten Künstler, darunter Eugène Delacroix, Edgar Degas oder Ernst Ludwig Kirchner, nach fotografischen Vorlagen gearbeitet. Die historische Leistung der Fotorealisten besteht jedoch darin, dass sie sich dazu bekannten. Ihre Gemälde bringen zur Anschauung, dass sie Bilder von Bildern sind. Ihre kompositorische Ästhetik ist von der Fotografie geprägt. Damit sind die Fotorealisten ideengeschichtlich auf der Höhe ihrer Zeit: Richard Rorty, Philosophieprofessor an der Princeton University, hatte 1967 den »linguistic turn« in einer gleichlautenden Anthologie als Devise ausgerufen und damit der Vorstellung Vorschub geleistet, dass Erkenntnis Teil eines Sprachspiels sei, das mit einer außersprachlichen Wahrheit nichts zu tun hat. Der Fotorealismus kann für sich in Anspruch nehmen, einen vergleichbaren Paradigmenwechsel in der Kunstgeschichte eingeleitet zu haben. Er steht am Anfang einer kraftvollen Entwicklungslinie der Malerei, die, vertreten etwa durch Gerhard Richter oder Neo Rauch, mit großer Selbstverständlichkeit von einer Selbstreferenzialität der Bildwelten ausgeht. Es gehört zu den Programmschwerpunkten der Kunsthalle Tübingen, die historischen Bedingungen der zeitgenössischen Kunst zu präsentieren. In jüngerer Zeit erstreckt sich dieser Anspruch auch auf die heute klassisch gewordenen Positionen der Nachkriegskunst. Mit dem Fotorealismus wird eine der wichtigsten davon erstmals umfassend und in ihrer Wirksamkeit für die Gegenwart präsentiert. Das in Tübingen startende Ausstellungsereignis würdigt in der Hauptsache diese Pionierleistung der frühen amerikanischen Fotorealisten der 1960er und 1970er-Jahre. John Baeder, Robert Bechtle, Charles Bell, Tom Blackwell, Chuck Close, Ro-bert Cottingham, Don Eddy, Richard Estes, Audrey Flack, Franz Gertsch, Ralph Goings, Gus Heinze, John Kacere, Ron Kleemann, Richard McLean, Jack Mendenhall, David Parrish, John Salt oder Ben Schonzeit – diese Begründer der Bewegung sind mit mit 34 Werken vertreten, wobei 26 Arbeiten aus den frühen Jahren von 1967 bis 1982 stammen. Zu sehen ist etwa Telephone Booths, ein verwirrendes Spiel aus Durchsichten und Spiegelungen auf den gläsernen und metallischen Oberflächen des New Yorker Großstadtlebens, das Richard Estes 1967 malte und 1972 auf der Documenta präsentierte. Ebenso auf der Documenta war Airstream, die Ansicht eines stromlinienförmigen Campingwagens, in dessen silbriger Aluminiumhaut sich auf Ralph Goings Gemälde von 1970 das flirrende Licht einer amerikanischen Wüstenlandschaft verfängt; oder Honda, das Plakatbild der Ausstellung, eine wundervolle Nahsicht auf den Motorblock der legendären Honda CL450 Scrambler, die David Parrish 1972 festgehalten hat. Doch die Ausstellung hat noch Weiteres zu bieten. Sie verfolgt die von dem Namens-geber und Promotor der Bewegung Louis Meisel fördernd begleitete Entwicklungslinie des Fotorealismus bis in die Gegenwart. An einer Auswahl aktueller Künstler macht sie deutlich, wie sich der Ansatz mit den neuen fototechnischen, digitalen aber auch ideengeschichtlichen Möglichkeiten weiterentwickelt hat. Die jüngere Generation der Fotorealisten ist mit Anthony Brunelli, Davis Cone, Robert Gniewek, Clive Head, Don Jacot, Ben Johnson, Bernardo Torrens, Roberto Bernardi, Peter Maier, Yigal Ozeri, Robert Neffson oder Raphaella Spence international prominent besetzt. Als Beispiele für die Unterschiedlichkeit der neuen Ansätze seien der 1974 geborene Italiener Roberto Bernardi hervorgehoben, der Studioaufnahmen von Stillleben mit höchster fotorealistischer Präzision und barocker Lichtdramatik in Szene setzt; oder der 1946 geborene Brite Ben Johnson, der in einem mehrjährigen Entwicklungsprozess unter Zuhilfenahme von Grafikprogrammen, computergesteuerten Schablonenschneidern und Airbrushpistolen ganze Stadtlandschaften auf der Leinwand nachkonstruiert. Außer im großen Saal, der den Hauptwerken der zentralen Vorreiter des Foto-realismus gewidmet ist, ermöglicht es die Hängung, direkt zwischen Altmeister und Weiterentwickler zu vergleichen. Die Räume der 51 Gemälde und 3 Arbeiten auf Papier umfassenden Schau sind nicht chronologisch, sondern thematisch gegliedert: Nach Architektur im untersten Kabinett folgen Stadtszenen, Chrom, Erotik, Fahrzeuge und die Welt des Konsums in den oberen Kabinetten. Nach Tübingen wird die in Kooperation mit dem Tübinger Institut für Kulturaustausch entwickelte, im wahrsten Sinne glanzvolle Bilderschau im Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid sowie im Birmingham Museum präsentiert.
Ort: Kunsthalle Tübingen bis: 2012-12-02
Künstler: u.a. Nicola Samorì, Filippo Vitale, Francesco Fracanzano, Gerrit Lundens, Otto Marseus van Schrieck
Thema: Die Gemälde von Nicola Samorì sind voll sinnlicher Kraft. Wie ein alter Meister des Barock baut der 35-jährige Künstler sie auf, bevor er sie durch Interven-tionen mit dem Pinsel, dem Spachtel oder dem Skalpell teilweise wieder zerstört. Die Kunsthalle Tübingen lädt dazu ein, die Bilder des international aufstrebenden Italieners in seiner ersten musealen Einzelausstellung zu entdecken. Nicola Samorì hat mehr von Holbein, Michelangelo oder Caravaggio gelernt als von seinen Professoren an der Accademia di Bologna. Die technischen Fähigkeiten des jungen Italieners lassen sich an denen der alten Meister der Renaissance oder des Barock messen. Doch steht der Maler aus der Romagna auch der italienischen Nach-kriegsmoderne und der Arte Povera nahe. Lucio Fontana mit seinen Schlitzungen und Perforationen ist ihm ebenso ein Vorbild wie Gino de Dominicis oder Michelangelo Pistoletto. Mit ihnen teilt er den Gedanken, aus Vorhandenem mittels künstlerischer Transformation Neues schaffen zu wollen. Seine Sujets schöpft Samorì aus der Kunstgeschichte: Porträts, Kreuzigungen, Heiligendarstellungen, Stillleben, Landschaften. In seinen Kompositionen hält er sich meist an das Chiaroscuro des Barock. Seine Figuren treten in dramatischer Lebensechtheit aus dem Dunkel des Bildraums hervor ins Licht. Mit höchster Präzision vollendet er seine Bilder in altmeisterlicher Manier. Umso schmerzhafter sind die Eingriffe, denen er sie unterzieht: Er verzerrt sie, verschmiert sie mit der Hand, malträtiert sie mit dem Spachtel, übermalt sie, bekleckert sie oder löst, einem Folterknecht gleich, mit dem Skalpell die halbtrockene Haut der obersten Malschicht ab. Bei aller zerstörerischen Gewalt, die diesen virtuosen Manipulationen innewohnt, handelt es sich bei seinen Gemälden um dekonstruktive Kompositionen, die das historische Bilderbe mit höchster sinnlicher Kraft dem heutigen Betrachter verfügbar machen. Samorì hat in den letzten Jahren auf dem Kunstmarkt für einige Aufmerksamkeit gesorgt. Galerien in Bologna, Trient, Turin, Mailand, Berlin, Kopenhagen, Kapstadt, London oder New York zeigen seine Arbeiten. Die Kunsthalle Tübingen gibt nun mit der ersten musealen Einzelausstellung einem breiteren Publikum die Möglichkeit, die Werke des höchst begabten Ausnahmekünstlers kennenzulernen. Neben etwa 60 Bildern und 5 skulpturalen Arbeiten Samorìs wird auch eine exquisite kleine Auswahl an Barockwerken präsentiert, die den Künstler inspirierten, darunter ein großes Ölgemälde, das erst jüngst Jusepe de Ribera zugeschrieben wurde. Katalog zur Ausstellung: Nicola Samorì. Fegefeuer, herausgegeben und verfasst von Daniel J. Schreiber, mit Werktexten von Davide Pairone und Alberto Zanchetta, 144 Seiten, 117 Farb-abbildungen, Hardcover Veranstaltungen: Sonntag, 23. September 2012, 16.00 Uhr Artist Talk mit Nicola Samorì in italienischer und deutscher Sprache Teilnahme 9,50 € / 7,50 € inkl. Eintritt Samstag, 24. November 2012, 19.00 Uhr Aberrationen musikalische Arrangements in den Ausstellungsräumen von Joseph Hasten mit dem Tübinger Celloensemble ±12Vc Teilnahme 9,50 € / 7,50 € inkl. Eintritt Sonntag, 2. Dezember 2012, 15.00 Uhr Samorì-Quiz Zur Finissage führt Daniel J. Schreiber ein letztes Mal durch die Ausstellung. Im Anschluss daran können bei einem Quiz Preise gewonnen werden. Teilnahme kostenlos, regulärer Eintritt Führungen: Öffentliche Führungen: samstags 15.00 Uhr, dienstags 17.30 Uhr Teilnahmegebühr pro Person: 2,50 € Audioführung: Mit einer exemplarischen Auswahl an ca. 20 Werken Kosten für die Ausleihe des Audiogeräts: 4 € Bilduntertitel: Nicola Samorì, Monk, 2011, Öl auf Holz, 40 x 30 cm, AmC Coppola Collection, © Nicola Samorì, 2012
Ort: Kunsthalle Tübingen bis: 2012-09-16
Künstler: Jones, Allen
Thema: Mit seinen provokativen Möbelskulpturen von 1969 sorgte der führende britische Pop-Art-Künstler Allen Jones weltweit für Furore. 1979 wurde dem damals 41-jährigen eine erste große Retrospektive gewidmet, die in Liverpool, London, Baden-Baden und Bielefeld zu sehen war. Sein 70. Geburtstag wurde 2007 in der Tate Britain in London mit einer Schau aktueller Arbeiten sowie einiger früher Werke gefeiert. Nun lädt die Kunsthalle Tübingen rechtzeitig zu seinem 75. Geburtstag dazu ein, in der bislang umfangreichsten Retrospektive das Lebenswerk des international einflussreichen Künstlers wiederzuentdecken. Allen Jones, First Step, 1966, Öl auf Leinwand, kunststoffbeschichtetes Holz, 91,5 x 91,5 cm, Sammlung Allen Jones, © Allen Jones, 2012
Ort: Kunsthalle Tübingen bis: 2012-06-10
Künstler: Joseph Beuys, Piero Manzoni, Richard Hamilton, Robert Rauschenberg, Claes Oldenburg, Bruce Nauman, Andy Warhol, Richard Serra, Sigmar Polke, Konrad Klapheck, Franz Erhard Walther, Bernd und Hilla Becher, Peter Roehr, Anselm Kiefer
Thema: Kunsthalle Tübingen Höhepunkte aus klassischer Moderne und Gegenwart Die Eröffnung der Kunsthalle Tübingen 1971 ist dem Engagement der Schwestern Paula Zundel und Dr. Margarete Fischer zu verdanken. Die beiden Töchter von Robert Bosch ermöglichten in Gedenken an den Maler Georg Friedrich Zundel (1875-1948) die Errichtung des Hauses und den Betrieb als Ausstellungsort. Dem Gründungsdirektor Götz Adriani gelang es mit einem anspruchsvollen Programm zur modernen und zeitgenössischen Kunst der Kunsthalle ein internationales Renomée zu verschaffen. Neben höchst publikumsträchtigen Ausstellungen zu Cézanne, Degas, Renoir, Toulouse-Lautrec und Picasso organisierte er auch Präsentationen zu umstrittenen Künstlern seiner Generation, etwa Joseph Beuys, Andy Warhol, Robert Rauschenberg, Sigmar Polke und Anselm Kiefer. Heute gilt die Kunsthalle als viel beachtetes Zentrum aktueller Kunst, in dem immer wieder auch Rückblicke auf herausragende Positionen der klassischen Moderne und der Nachkriegskunst zu sehen sind. Derzeit steht das 40. Jubiläum der Kunsthalle Tübingen im Vordergrund. Nach den Publikumserfolgen „Cézanne Renoir Picasso und Co.“ (17. September - 29. Januar 2012) werden nun mit „Beuys Warhol Polke & Co.“ (11. Februar bis 10. Juni 2012) die Zeitgenossen Adrianis gezeigt. Sigmar Polke, Freundinnen, 1965–1966 Sammlung Froehlich, Stuttgart © 2012 The Estate of Sigmar Polke / VG Bild-Kunst, Bonn
Ort: Kunsthalle Tübingen bis: 2012-01-29
Künstler: Cézanne, Renoir, Picasso, Degas, Toulouse-Lautrec, Rousseau
Thema: Anlässlich ihres 40. Jahrestages blickt die Kunsthalle Tübingen auf ihre Geschichte zurück. Bevor das Ausstellungshaus durch große Publikumserfolge zur klassischen Moderne seinen legendären Ruf erhielt, dominierten Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst das Programm. Diese beiden Schwerpunkte werden nun in zwei aufeinander folgenden Jubiläumsausstellungen einzeln gewürdigt. Als die Kunsthalle Tübingen 1971 von Paula Zundel und Frau Dr. Margarethe Fischer in Gedenken an den Maler Georg Friedrich Zundel eröffnet wurde, war nicht absehbar, dass sie sich eines Tages zu einem der beliebtesten und bekanntesten Ausstellungshäuser entwickeln würde. Nachdem in den ersten zehn Jahren hauptsächlich herausragende künstlerische Positionen der Gegenwart präsentiert wurden, nahm ab 1982 eine Entwicklung ihren Anfang, die in den Medien häufig als „Wunder von Tübingen" beschrieben wurde. Immer häufiger bereicherten nun Ausstellungen zur klassischen Moderne das Programm. Die Aquarelle von Paul Cézanne zogen erstmals weit über hunderttausend Besucher in die Kunsthalle am Rande der Universitätsstadt. Ein noch größerer Publikumsmagnet konnte zwei Jahre später mit Pastellen und Ölskizzen von Edgar Degas erzielt werden. In den darauf folgenden Jahren und Jahrzehnten wiederholten sich diese Erfolge etliche Male, so mit Werkpräsentationen von Pablo Picasso, Henri de Toulouse-Lautrec oder Henri Rousseau. Die jeweils weit über 400.000 Besucher der Gemäldeschauen von Paul Cézanne 1993 und Auguste Renoir 1996 bildeten die Höhepunkte einer Periode, die mit gutem Recht »Ära Adriani« benannt wurde. Das von dem langjährigen Kunsthallendirektor Götz Adriani von 1971 bis 2005 geprägte Ausstellungsprogramm zeichnete sich durch den hohen wissenschaftlichen Qualitätsstandard und den Wechsel zwischen zeitgenössischer Kunst und klassischer Moderne aus. Zu Adrianis besonderen Verdiensten zählt es, die französische Kunst als Schrittmacher der internationalen Moderne dem deutschen Publikum nahe gebracht zu haben. Für viele der in Frankreich wirkenden Meister des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts organisierte er die hierzulande erste Einzelausstellung. Anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Kunsthalle Tübingen wird nun ein Extrakt dieser Ausstellungsereignisse präsentiert - und damit ein bedeutender Entwicklungsschritt der Kunstgeschichte in einer einzigartig verdichteten Ausstellung erlebbar gemacht. Den auftaktgebenden Schwerpunkt der Schau bilden Hauptwerke von Paul Cézanne (1839-1906), der als Impulsgeber der Moderne zu gelten hat. Seine Landschaftsbilder, Porträts und Stillleben inspirierten eine Bewegung, die von der impressionistischen Wirklichkeitstreue wegführte, hin zu einer freien Komposition von Linien, Flächen und Farben. Zudem ist Edgar Degas (1834-1917) in der Ausstellung vertreten, dessen Tänzerinnen-, Dirnen- und Landschaftsbilder ebenfalls am Anfang der postimpressionistischen Entwicklung stehen. Überdies sind Auguste Renoirs (1841-1919) Bilder mondäner Lebensfreude ebenso wie Henri de Toulouse-Lautrecs (1864-1901) malerische Porträts der Belle Époque präsent. Ein Landschaftsbild des Postimpressionisten Henri Rousseau (1844-1910) ergänzt die umfangreiche Epochenschau, die ihren Abschluss in einer bedeutenden Gruppe von Arbeiten Picassos aus den Jahren zwischen 1898 und 1971 findet. Paul Cézanne, Haus mit rotem Dach, um 1887, Privatsammlung Foto: Volker Naumann
Ort: Kunsthalle Tübingen bis: 2011-09-04
Künstler: Evan Penny
Thema: Farbecht und haargenau stellen Evan Pennys Skulpturen menschliche Körper dar, mit all ihren Runzeln und charakterlichen Besonderheiten. Seine sorgsam mit eingefärbtem Silikon geschichteten Figuren sind von höchster sinnlicher Präsenz. Und doch ist ihnen ihre Künstlichkeit anzusehen. Durch Verfremdungseffekte wie Stauchungen, Streckungen, Verzerrungen oder Farbfehler erinnern sie an Eigenheiten der Fotografie, des Fernsehens oder der digitalen Bildbearbeitung. So entstehen plastische Hinterköpfe mit fotografisch flachem Gesicht, dreidimensionale Bildnisse, die wie fehlerhafte Vierfarbdrucke erscheinen, menschliche Körper, die so aussehen, als ob sie mit Photoshop manipuliert worden wären, oder Frauenbüsten, die auf der Achse der Zeit verzerrt sind. Befragt danach, wie er seine aktuelle Werkphase, die in der Ausstellung Evan Penny. Re Figured erstmals umfassend gewürdigt wird, in einem Satz beschreiben würde, sagt der 1953 in Südafrika geborene kanadische Künstler: „Ich versuche meine Skulpturen irgendwo zwischen zwei unterschiedlichen Weisen der Wahrnehmung unserer selbst anzusiedeln: der Wahrnehmung in Raum und Zeit sowie der Wahrnehmung mittels medialer Bilder." In diesen Zwischenwelten lässt er hybride Wesen entstehen, welche durch die fotografische Präzision ihrer Oberflächen und ihr körperliches Eindringen in unseren Lebensraum den Betrachter überwältigen. Sie konfrontieren uns mit den Deformationen des Menschenbildes unseres Medienzeitalters. Jede Skulptur stellt ein materialisiertes Gedankenexperiment dar, das der Künstler selber so formuliert: „Was würde passieren, wenn ich eine Entstellung des menschlichen Körpers, welche uns im Kontext medialer Bildlichkeit als normal und akzeptabel erscheint, in den Realraum unserer Lebenswelt übertrüge?" Seine Werke führen uns die Antwort vor Augen: eine starke Gefühls reaktion voll abgründigen Schreckens und unstillbarer Faszination. Die von der Kunsthalle Tübingen organisierte bislang größte Überblicksausstellung Pennys und seine erste Museumsschau in Europa umfasst ungefähr vierzig zum Teil überlebensgroße Skulpturen sowie eine Reihe von Fotoprints. Die Schau nimmt Bezug auf die Geschichte des Ausstellungsortes: 1972 wurde in der Kunsthalle Tübingen der New Yorker Künstler George Segal gezeigt, der sich mit seinen gipsernen Körperabgüssen im Sinne eines sozialkritischen Realismus von der abstrakten Plastik abwandte. Ihm folgte 1991 Duane Hanson, der mit seinen bemalten Polyesterharzfiguren als Begründer der hyperrealistischen Plastik gilt. Abermals zwanzig Jahre später wird nun mit Penny ein Bildhauer präsentiert, der diese Entwicklung auf den Höhepunkt getrieben und in gewisser Hinsicht auch zum Abschluss gebracht hat. Nach der Präsentation in Tübingen wird die Ausstellung auch im Museum der Moderne in Salzburg (Österreich) im Museo delle Arti Catanzaro (Italien) und in der Art Gallery of Ontario in Pennys Heimatstadt Toronto in Kanada zu sehen sein. Evan Penny und Old Self: Portrait of the Artist as He Will (Not) Be #1, Variation of 4, 2011 Silikon, Farbpigmente, Haare, Stoff, Aluminium, 76 x 86 x 59 cm © Evan Penny, 2011
Ort: Kunsthalle Tübingen bis: 2008-06-01
Künstler: Tim Eitel
Thema: Neue Deutsche Malerei der "Leipziger Schule", so umschreibt man gerne Tim Eitels Werke.# Die Kunsthalle Tübingen zeigt jetzt 40 Bilder aus den letzten Jahren.# Auszug Pressetext# "Tim Eitels Bilder treffen den Nerv einer Generation. Die Ziellosigkeit ihrer Protagonisten und die Künstlichkeit der Orte, an denen sie sich befinden, lassen diese Werke als Sinnbilder erscheinen. Eitels Kunst setzt sich dabei zugleich mit der Frage nach den Möglichkeiten einer zeitgemäßen Malerei auseinander. In dieser Hinsicht kann sie als Beispiel für das Bemühen um eine Synthese zwischen Abstraktion und Figuration betrachtet werden. "