Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2024-12-31
Künstler: Künstler:innen aus Afghanistan
Thema: Die digitale Ausstellungsserie Hidden Statement – Art in Afghanistan zeigt in digitalen Einzelausstellungen das Werk von Künstler:innen, die aktuell noch in Afghanistan sind, unter einem selbstgewählten Pseudonym, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Kunstwerke wurden und werden in Afghanistan aus Sicherheitsgründen teils von den Künstler:innen selbst zerstört, teils fielen sie Plünderungen und gezielter Zerstörung bei Hausdurchsuchungen zum Opfer oder mussten bei der Flucht zurückgelassen werden. Viele Arbeiten existieren jedoch noch im Verborgenen, andere nur noch in der Dokumentation. Gleichzeitig leisten auch immer noch Künstler:innen Widerstand, in dem sie ihrer Meinung durch ihr Schaffen Ausdruck verleihen – entgegen aller Hindernisse und Verbote.
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2024-05-26
Künstler: Daniela Ortiz
Thema: Bereits seit einigen Jahren setzt sich Daniela Ortiz vermehrt mit dem Thema der Kindheit auseinander. Mit „Die Kinder der Kommunisten“ (2023) thematisiert die Künstlerin eine wenig bekannte Seite der revolutionären Geschichte des 20. Jahrhunderts: Kinderfürsorge durch kommunistische Initiativen organisiert. Es sind Geschichten, die sich zwar vom Kontext und Umfang unterscheiden, aber immer einen gemeinsamen Nenner haben, den Schutz der Kinder in Form einer internationalen Solidarität. Für ihre Installation „Die Kinder der Kommunisten“ nutzt Daniela Ortiz ein Spielzeug mit transnationalen Ursprüngen und gleichzeitig eines der Schlüsselsymbole des Sozialismus: die Matrjoschka. Die berühmte Holzpuppe, eine Erbin der älteren japanischen Kokeshi Puppe, erstmals 1900 als russischer Beitrag auf der Weltausstellung in Paris ausgestellt, entwickelte sich von dort zu einem der ikonischsten Symbole der russischen Folklore. Die Matrjoschkas von Daniela Ortiz zeigen jedoch, wie sich hinter einer Geschichte in Wirklichkeit komplexe Ereignisse von politischer Relevanz verbergen. Im Mittelpunkt stehen fünf Geschichten von realen und oft schmerzhaften Begebenheiten. Die Matrjoschkas verweisen dabei auf Erzählungen argentinischer und chilenischer Widerstandsbewegungen, der Black Panther Party, der palästinensischen PFLP, den Children of Morelia sowie der Peter Pan Operation. Dazu zeigt sie eine Textilarbeit in Erinnerung an Faris Odeh. Ein Blick, heute mehr noch als damals, der zum Nachdenken über jene Opfer anregt, die junge Revolutionär:innen auf sich nehmen mussten. © Daniela Ortiz
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2023-04-01
Künstler: 1.April 2023 / 19:00 -24:00 Uhr Eröffnung / ab 18 Uhr im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden
Thema: Bei der beliebten Kulturveranstaltung öffnen am Samstag, 1. April 2023, wieder zahlreiche Museen, Galerien und Projekträume ihre Türen und bieten von 19 bis 24 Uhr ein abwechslungsreiches Programm. Bereits um 18.00 Uhr wird die einundzwanzigste „KURZE NACHT“ von dem Kulturdezernenten der Stadt Wiesbaden, Stadtrat Axel Imholz, dem Organisator der Veranstaltung Erhard Witzel sowie der Künstlerischen Leiterin des Kunstvereins Elke Gruhn im Nassauischen Kunstverein in der Wilhelmstr. 15 eröffnet Unvergesslich für alle anwesenden Gäste wird die Performance „Strings“ von Annika Kahrs sein. Von 19 bis 24 Uhr freuen sich die teilnehmenden 31 Institutionen und Galerien bei traditionell freiem Eintritt auf die Besucher.
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2023-07-23
Künstler: Annika Kahrs
Thema: In Videos, Installationen und Performances forscht Annika Kahrs an den Rändern dessen, was wir allgemein als Musik bezeichnen, fragt nach der kulturellen und sozialen Funktion von Musik, nach ihren kommunikativen Aspekten und ihrer formalen Beschaffenheit. Sie interessiert die Frage, wann Musik beginnt, wo sie entsteht, und was an der Grenze zum bloßen Geräusch passiert. Ein Bindeglied zwischen diesen Themen sind Methoden der Interpretation und der Übersetzung - sowohl als Mittel der Kunst wie auch in der Konstruktion und Wahrnehmung des Alltags. Klang als Vehikel der Kommunikation – entweder instrumental oder vokal, zwischen Mensch und Tier, zwischen Akteuren auf einer Bühne oder mit dem Publikum befinden sich demnach hier oft im Zentrum der Arbeiten. Gewohnte Wege der Verständigung, Hörgewohnheiten und Verhaltensmuster werden unterbrochen und müssen neu gefunden werden. In den resultierenden Verschiebungen, Brüchen oder Missverständnissen werden die Wechselwirkungen zwischen Erwartung und Erfüllung, Routine und Scheitern in den veränderlichen – sozialen, kulturellen, politischen – Strukturen der Koexistenz untersucht. Musik als Sprache fungiert dabei als Ventil und Metapher zugleich.
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2021-12-19
Künstler: Andreas Amble / Moriah Askenaizer / Cudelice Brazelton IV / Alex Chalmers / Arnaud Ferron / Lorenz Ganthaler / Zishi Han / Aerin Hong / Mariam Kvirikashvili / Guy Lee / Antonis Magoulas / David Moser / Thủy Tiên Nguyễn / Emmilou Rößling / Alex Thake / Maria Toumazou / Francisco M.V. / Ian Waelder / Matt Welch / Alicja Wysocka / Miran Yang
Thema: Touch Release begreift Intimität als einen politischen Begriff und versammelt künstlerische Vorschläge, die die Widersprüche von Berühren und Loslassen verkörpern, erzählen und herausfordern. Durch das Nebeneinander von scheinbar gegensätzlichen Kräften untersucht die Gruppenausstellung das, was dazwischen entsteht. In einer Zeit, in der sich die Kräfte, die den (Staats-)Körper und seine Funktionsweisen steuern, im Wandel befinden, erkundet die Ausstellung die Spannungen zwischen scheinbar undurchdringbaren Strukturen und deren Durchlässigkeit, zwischen Nähe und Andersartigkeit. An der Schnittstelle von ortsspezifischer Installation, Malerei, Skulptur, Video, und Klang präsentieren 21 Studierende und Alumni von Haegue Yangs Klasse an der Hochschule für Bildende Künste—Städelschule ihre künstlerische Arbeit – die mal von starker Verwandtschaft, mal von Distanz geprägt ist. Bedingt durch die spezifischen Umständen ihrer Entstehung stellt Touch Release das erste physische Miteinander von Künstler:innen dar, die den bisherigen Verlauf ihrer künstlerischen Karriere miteinander geteilt haben und nun gemeinsam die Gegenseitigkeit von Berührung, den Widerwillen dagegen und die dazwischenliegenden Bedeutungen thematisieren. Die Ausstellung löst sich von einem rein physischen Begriff der Berührung und ersetzt ihn durch ein nuanciertes Verständnis davon, was es bedeutet, sich zu nähern, sich zu verbinden und loszulassen. Sie begreift Berührung als ein Kräftespiel, das sowohl das Objekt als auch den Körper bestimmt – oft untrennbar miteinander verbunden. Touch Release versteht sie als Orte der Verwandlung und untersucht, wie sie Spuren tragen, sich bewegen und bewegt werden, wie sie durchlässig werden, sich reiben, verdichten, transpirieren und übermitteln. Gemeinsam erschaffen die Künstler:innen ein Bewusstsein für die Grenzen von Kontrolle und die Möglichkeiten, die jenseits davon liegen. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit Tom Engels realisiert. Foto: Touch Release, 2021, © und Courtesy: Guy Lee
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2021-08-08
Künstler: Dimitri Venkov
Thema: Die Welt steht Kopf im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden – denn dort ist ab dem 28. Mai 2021 der mehrfach preisgekrönte Experimentalfilm The Hymns of Muscovy von Dimitri Venkov zu sehen, der Besucher:innen auf eine Reise durch Raum und Zeit schickt. Langsam, geradezu erhaben gleitet die Kamera über den Planeten Muscovy, einem Zwillingsplaneten von Moskau, auf dem die Großstadt umgekehrt wurde: Im Himmel von Muscovy hängend, ziehen die kolossalen Bauten des 20. und 21. Jahrhunderts vorbei, unter ihnen ein scheinbar unendlicher, blauer Ozean. Mit dem einfachen, aber gleichzeitig erstaunlichen Kunstgriff, die Großstadt auf dem Kopf stehend zu filmen, gelingt es Dimitri Venkov, das gigantische Ausmaß der Großstadt und ihrer monumentalen Architektur festzuhalten und bekannte Perspektiven zu revidieren. In den Fassaden der Gebäude spiegeln sich ästhetische und gleichsam historische und ideologische Entwicklungen Russlands wider: der sozialistische Klassizismus des stalinistischen Reiches, der Brutalismus der Moderne der Tauwetterperiode von Chruschtschow und die kühlen Glasfassaden des gegenwärtigen Hyperkapitalismus unter Putin. Die eindrucksvollen Bilder werden von einer Neukomposition der russischen Nationalhymne durch den Komponisten Alexander Manotskov untermalt, wobei jede der drei elektronischen Variationen einem der drei Architekturstile entspricht. Durch die fehlende menschliche Präsenz ist der Film eine Reise in eine Geisterstadt und gleichzeitig ein Kommentar über eine Metropole, in der historische und politische Ereignisse stets eng mit ästhetischen und architektonischen Machtdemonstrationen einer kleinen politischen Elite verbunden waren. Die Hymne wird zum Begleiter auf dieser Reise zu einer fliegenden Metropole, die aus Raum und Zeit gefallen scheint. Über den Künstler / Dimitri Venkov (*1980, Nowosibirsk, RUS) studierte Linguistik an der International University in Moskau, Filmstudien an der University of Oregon und Neue Medien der Rodtschenko-Schule für Fotografie und Neue Medien in Moskau. 2019 wurde er mit dem Moscow Art Prize ausgezeichnet, 2012 gewann er den Kandinsky Preis Junger Künstler des Jahres. Seine Filme wurden u. a. im Museum für Zeitgenössische Kunst Antwerpen, im Moscow Museum of Modern Art, auf der documenta 14 (Athen), im Garage Museum of Contemporary Art (Moskau), in der Whitechapel Gallery (London) und auf der 5. Moskau Biennale gezeigt. Fotocredits: The Hymns of Muscovy, 2017 (Videostill) © und Courtesy: Dimitri Venkov
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2021-08-08
Künstler: Eva & Franco Mattes
Thema: Die Installationen von Eva & Franco Mattes beschäftigen sich mit den Auswirkungen von Technologien auf unser alltägliches Leben. Dabei untersuchen sie die Funktion und Verbreitung von Fotografien, die wir tagtäglich in Sozialen Netzwerken preisgeben und von denen wir im Gegenzug im Internet fast schon überschwemmt werden, wobei was wir zu sehen bekommen und was sich somit auf unsere Weltanschauung auswirkt, von unsichtbaren Mechanismen gesteuert ist. Auf der Grundlage, dass das Internet kein freier, utopischer Ort, sondern ein mehr und mehr zentralisiertes, korporatisiertes und überwachtes System darstellt, machen Eva & Franco Mattes die dahinterliegende Infrastruktur und die diese bedienenden Menschen sichtbar. So sensibilisieren sie mit einer guten Portion schwarzen Humor unsere Wahrnehmung bezüglich dieser Dynamik. Ausgangspunkt der Arbeiten ist ein intensiver, persönlicher Austausch mit den Menschen, die für große Internetunternehmen arbeiten. Aus diesen individuellen Resonanzen lassen sich letztlich politische sowie ethische Fragestellungen hinsichtlich des Umgangs mit medialen Bildern ableiten. Durch die heute nicht mehr eindeutige Trennung in privat und öffentlich werden die Internetnutzer:innen nicht nur zu Empfänger:innen, sondern auch zu Sender:innen von Daten mit einer unermesslichen Reichweite und verbreiten so Normen- und Ideensysteme bis hin zur Stärkung von Ideologien. Die erste Einzelausstellung des Künstlerduos in Deutschland vereint Neuproduktionen mit Arbeiten aus den letzten fünf Jahren. Eva & Franco Mattes (beide *1976 in Italien, leben und arbeiten in New York) arbeiten seit 1995 gemeinsam. Ihre Arbeiten wurden weltweit ausgestellt, u. a. in Einzelausstellungen im Fotomuseum Winterthur (2021), im Careof, Mailand (2020), in der Fondation PHI, Montreal (2019) und der Team Gallery, Los Angeles (2019). Ihre Werke befinden sich u. a. in den ständigen Sammlungen des SFMOMA in San Francisco, dem Whitney Museum of American Art, New York, sowie dem X Museum in Peking. Fotocredits: Personal Photographs, September 2009 2019 © und Courtesy: Eva & Franco Mattes Foto: Delfino Sisto Legnani
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2021-05-02
Künstler: Taus Makhacheva
Thema: Ein einsamer Seiltänzer balanciert zwischen zwei Felsvorsprüngen in Dagestan, der größten und bevölkerungsreichsten Region im Kaukasus. Mal in der Hand, mal am Balancierstab befestigt, transportiert Rasul Abakarov, Nachfahre einer dagestanischen Dynastie von Seiltänzern einundsechzig Gemälde und Zeichnungen zwischen den Hochlandgipfeln. Für den 58-minütigen Film Tightrope (2015) wählte die Künstlerin Taus Makhacheva mit Bedacht Werke aus der Sammlung des Dagestan Museum of Fine Arts aus, die sie für die Performance kopierte. Die Arbeiten umfassen eine Zeitspanne vom 19. Jahrhundert bis zum Jahr 2000 und damit eine Geschichte der bildenden Kunst in Dagestan – von Schlachtszenen des 19. Jahrhunderts über Werke des Sozialistischen Realismus der sowjetischen Periode der Region bis hin zu Abstraktem Expressionismus oder Pop Art. Vor dem atemberaubenden Hintergrund der dagestanischen Berglandschaft wird ein Werk nach dem anderen über ein dünnes Seil transportiert und die ursprünglich lose Zusammenstellung der Werke auf dem ersten Gipfel auf der gegenüberliegenden Bergspitze in einer quaderförmigen Struktur angeordnet, die an ein Museumsdepot erinnert. Der Film visualisiert damit nicht nur eine spezifische Kunstgeschichte, sondern stellt durch den physischen Akt der Neuordnung auch wortwörtlich eine lineare Geschichtsschreibung in Frage. Die scheinbar wertvollen Gegenstände, die über ein dünnes Drahtseil transportiert werden, werden zu einem Sinnbild für das prekäres kulturelles Erbe der Region und der Frage, wie Museen das Überleben eines solchen Erbes physisch und geschichtlich garantieren können. Der Balanceakt des Seiltänzers wird gleichzeitig zu einer Metapher für die komplizierte Geschichte der Republik Dagestan, einer Region, die sich nach ihrer Sowjetisierung in einem Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, Zentrum und Rand sowie historischer Repräsentation und Unsichtbarkeit befindet. Taus Makhacheva (*1983, Moskau) studierte Bildende Kunst am Goldsmiths College und am Royal College of Art in London. 2016 erhielt sie den Kandinsky-Preis Young Artist. Project of the Year für Super Taus, ihr Superhelden Alter Ego. Ihre Arbeiten wurden weltweit in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, so u. a. in der Tate Modern (London), auf der 57. Biennale di Venezia, auf der Manifesta 12 (Palermo), im Centre Pompidou (Paris) und im Garage Museum of Contemporary Art (Moskau). Bild: Taus Makhacheva, Tightrope, 2015. Courtesy: the artist.
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2021-05-02
Künstler: Line Lyhne
Thema: Mit einer fast magischen Anziehungskraft schillern die Mosaike von Line Lyhne von den Wänden, davor richten sich Kreaturen aus Stein und Metall im Raum ein. Mit ihrem Ausstellungstitel Spaces und Species bezieht sich die Künstlerin auf George Perec’s Essaysammlung Species of Spaces and Other Pieces (1973, Deutsch: Träume von Räumen) und verweist mit ihren Werken auf die Erweiterung von (räumlichen) Perspektiven, Verortungen, Kategorisierungen und Benennungen. Die skulpturalen Objekte aus bearbeitetem Marmor und geschmiedetem Eisen offenbaren bewusst ihren Herstellungsprozess, wie den ungeglätteten Abdruck des Meißels im Stein und verewigen dabei zugleich den Moment des Werdens. Gleich einer fremden Spezies treten sie zwischen Betrachter*in und Wandarbeiten. In diesen kombiniert Line Lyhne die traditionelle, antike Mosaiktechnik mit der Nutzung von global massenproduzierten, modernen Dekorationskacheln. Die fragmentierten Oberflächen der Mosaike machen es leicht, sich in ihren Details zu verlieren, doch mit zunehmendem Abstand wird deutlich, dass die wie einzelne Pixel erscheinenden Fliesen Teil einer größeren Komposition sind. Im Paradoxon zu ihrer abweisenden, spiegelnden Oberfläche, die an reflektierende Hochhausfassaden erinnert, eröffnen sich nun flimmernde Landschaften oder – wie durch ein offenes Fenster herangezoomt – Innenräume und private Interieurs in verschobener, entfremdeter Perspektive. Die extremen Querformate, die formal auf das Genre des Landschaftsbilds verweisen, treten in Dialog mit hochformatigen Arbeiten, die abstrakte (Innen-)Räume eröffnen. Die Werke bedienen sich bewusst unterschiedlicher kunsthistorischer Referenzen und widersetzen sich damit formal einer klaren Einordnung. Die Künstlerin setzt sich in ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung speziell mit den Raum-Zeit-Koordinaten des Kunstvereins auseinander, der als zeitgenössisches Ausstellungshaus in einer Altbau-Stadtvilla aus dem 19. Jahrhundert angesiedelt ist und historische Referenzen auf Räume, die traditionell mit Plaisir, Muße und Handarbeit verbunden waren, zulässt. In der Ausstellung entwickelt sich ein Zusammenspiel von historischer und Jetzt-Zeit und der damit verbundenen Nutzung der Räume sowie ein ständiges ineinander Übergehen zwischen Außen(raum) und Innen(raum). Line Lyhne hinterfragt dabei die Grenzen zwischen bildender und angewandter Kunst sowie die strikte Unterscheidung von Kunstobjekt und Handarbeit, Funktionsmöbel oder dekorativer Heimausstattung, indem sie diese wertfrei, dehierarchisierend und zeitlos nebeneinanderstellt – bekannte Zuschreibungen befinden sich in ihrer Auflösung. Line Lyhne (*1991 in Aarhus, DK) studiert seit 2019 bei Tobias Rehberger an der Städelschule in Frankfurt am Main. Ihre Arbeiten waren bisher in Ausstellungen in Hamburg, Oslo, Paris, Salzburg, Wien, Frankfurt und bereits 2019 in der Gruppenausstellung LASH 23 im Nassauischen Kunstverein zu sehen. Bild: Line Lyhne, Solaris, 2020. Foto: Jiyoon Chung.
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2021-05-02
Künstler: Britta Thie
Thema: Britta Thie / Grip Der Stream ist heute die dominante Form, die sich vor alle anderen Erscheinungen der Kultur geschoben hat: das Senden und Empfangen von Bewegtbildern, das nicht mehr ans lineare Fernsehen gekoppelt ist, sondern jederzeit überall stattfinden kann, von der Netflix-Serie bis zur persönlichen Instagram-Story. Die Pandemie hat diese Entwicklung nur verstärkt. Während der Lockdowns sind weite Teile des öffentlichen Raums durch Videostreams ersetzt. Dass wir jederzeit in die fiktionalen Welten von Fernsehserien eintauchen können, verdanken wir einem immensen logistischen Aufwand: angefangen von den Serverfarmen, durch die die gewaltigen Datenmengen für das Streaming fließen, über die Schauspielerinnen und Schauspielern, die vor der Kamera agieren, die Visagistinnen, die sie schminken, die Modisten, die sie einkleiden, die Regisseurinnen, die Kommandos rufen, die Kameraleute, die diese Kommandos interpretieren, die Tontechniker, die mit an langen Stäben hängenden Mikrofonen den Schauspielerinnen folgen: Ein ganzes Sonnensystem verschiedenster Berufe und Geräte umschwirrt die Handlung vor der Kamera und überträgt sie auf unsere Bildschirme. Am Rand stehen die Schauspieler, die gerade nicht dran sind; und die Geräte, die ebenfalls pausieren. Unter ihnen fand sich während des Drehs einer Serien-Produktion in Budapest und anderen Städten die Künstlerin Britta Thie als Schauspielerin wieder. Während sie auf ihren Einsatz wartete, schweifte ihr Blick über Kamerawägen, Scheinwerfer und Audioports. Sieht man diese Geräte vom äußeren Rand des Maschinenparks ohne die Techniker, die sie üblicherweise bedienen (das sogenannte „Grip Department“), gewinnen sie plötzlich Persönlichkeit. Dem spontanen Wechsel des Blickwinkels folgend hat Thie diese unbelebten Akteure in Fotos festgehalten. Und als die Corona-Pandemie auch weite Teile der Filmindustrie in den Stillstand zwang, darunter die Produktion, in der Thie mitspielt, entschloss sie sich, die Fotos in großformatige Gemälde zu übersetzen. Nobilitiert durch das Format des Porträts und den absurden Aufwand des physischen Malvorgangs, starren die Maschinen von den Wänden wie stolze Mitglieder einer Ahnengalerie. Britta Thie holt eins der jüngsten und schnellsten Medien, das digitale Fernsehen, in eins der ältesten und langsamsten: die Malerei. Es ist das erste Mal seit ihrem Studium, dass Britta Thie, die vor allem mit Videoarbeiten bekannt wurde, als Malerin vorstellig wird. So wie Bruce Nauman die räumlichen Beschränkungen seines Körpers und seines Ateliers in Bezug zum damals jungen Medium Video setzte, oder Richard Serra die Schwerkraft von Blei, so erkundet Britta Thie die entfesselten Möglichkeiten digitaler Medien und fragt nach dem Platz des ältesten Mediums in ihnen: der Sinn- und Empfindungsmaschine Mensch. Jetzt, wo weite Teile der Menschheit auf ihr Zuhause zurückgeworfen sind und die Produkte einer Industrie streamen, die sich ihrerseits im Lockdown befindet, schafft Thie im Rückgriff auf die Malerei Bilder des Stillstands: Vom anderen Ende der großen Mobilisierung der Bilder her blicken uns einmal nicht die nur scheinbar schwerelosen Streams selbst an, sondern die austauschbare Hardware, die dazu dient, sie herzustellen. (Aus: Kolja Reichert: Grip, 2021) Über die Künstlerin / Britta Thie (*1985, Minden) lebt und arbeitet in Berlin. 2013 schloss sie als Meisterschülerin in der Klasse von Hito Steyerl an der Universität der Künste in Berlin ihr Studium ab. 2016 hatte sie eine Gastprofessur an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main inne. Ihre Arbeiten wurden weltweit ausgestellt, u. a. in den Anthology Film Archives (New York), im Mumok (Wien) oder der Julia Stoschek Collection (Berlin). Britta Thie, Hi-Five, 2021 Courtesy: Britta Thie. Copyright: Britta Thie und VG Bild-Kunst, Bonn, 2021.
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2021-02-07
Künstler: Monira Al Qadiri, Dominika Bednarsky, Frank Brechter, Edi Danartono, Max Eulitz, Lili Fischer, Sverre Fredrikson & Zaou Vaughan, Ryan Gander, Andreas Greiner, Ann-Kristin Hamm, Klara Hobza, Zac Langdon-Pole, Oliver Laric, Isa Melsheimer, Katja Novitskova, Aude Pariset, Jonathan Penca, Heather Phillipson, Lucy Powell, Christa Sommerer & Laurent Mignonneau, Simon Van Heddegem, Władysław Starewicz
Thema: Das ambivalente Verhältnis des Menschen zur Natur wird besonders an seinem Umgang mit jenen Tieren deutlich, die er als lästig, schädlich, ekelhaft oder unliebsam empfindet. Der Nassauische Kunstverein Wiesbaden richtet in der international besetzten Gruppenausstellung Alles im Wunderland seinen Blick geradewegs auf die Tiere, denen man im Alltag nur ungern begegnet und die in der menschgemachten Hierarchie zwischen den Lebewesen oft als nicht systemrelevant und daher als „verzichtbar“ empfunden werden. Das Menschsein per Selbstdefinierung vollzieht sich in erster Linie durch eine Grenzziehung – der Unterscheidung zwischen Mensch und Tier. Aber weder die Evolutionsbiologie noch die Paläoanthropologie kann mit Gewissheit definieren, an welchem Punkt sich diese Trennung vollzieht. Auf der Suche nach dieser Grenze nimmt der Mensch weitere Kategorisierungen und Hierarchisierungen vor, die Verwandtschaften herleiten, Gruppen bilden, aber vor allem darauf hinauslaufen, eine polare Bewertung zu manifestieren: lieb- oder unliebsam, nütz- oder schädlich, gut oder böse. Tatsächlich ist es der Mensch, der sich unfraglich als der größte Schädling des Planeten entpuppt, während er sich langsam der (öko-)systemerhaltenden Bedeutung der unzähligen, überwiegend kleineren Lebewesen mehr und mehr bewusst wird. In den Arbeiten der international besetzten Gruppenausstellung wird die Trennung zwischen den menschengeschaffenen Kategorien „Tier“ und „Mensch“ hinterfragt. Gerade die wirbellosen Tiere, von den Insekten über die Regenwürmer bis zu den Oktopoden mit ihren „neun Gehirnen“, angesiedelt irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft, (er-)schaffender und aus menschlicher Perspektive zerstörender Kraft, erscheinen fremdartig und lösen eine vielleicht auch mit Ekel gepaarte Faszination aus. Dabei werden sie im künstlerischen Abbild zu einem Sinnbild der gegenwärtigen Stimmung der nahenden Apokalypse – oder zeigen hoffnungsvolle Alternativen auf. Anstatt eine dichotome Abgrenzung zu forcieren, eröffnen die Künstler*innen Einsicht in eine gänzlich andere Welt - sei es durch Verschmelzung, Metamorphose, Poesie, Rollentausch, Größenverschiebung, Materialität, Formschönheit, Technik oder Witz. Nach einem Besuch der Ausstellung im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden wird kaum eines der gezeigten Lebewesen mehr vergiftet, platt getreten oder erschlagen werden können – als wäre man dem weißen Kaninchen gefolgt und hätte bemerkt, wo sich alle Lebewesen dieser Welt gemeinsam befinden: alles im Wunderland. Die Ausstellung Alles im Wunderland ist Teil des Kooperationsprojektes Artentreffen entlang der RMV S-Bahnlinie 8 mit der Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim und dem Deutschen Ledermuseum in Offenbach am Main. Foto: Oliver Laric, Betweennes, 2018, © Der Künstler, Courtesy: Der Künstler und Tanya Leighton, Berlin
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2021-02-07
Künstler: Clemens von Wedemeyer
Thema: Die Bedeutung von Protesten, die zu unterschiedlichen Zeiten soziale Gerechtigkeit einforderten, und das Verhältnis von Machtstrukturen zu Architektur und öffentlichem Raum werden in Clemens von Wedemeyers Film Procession beleuchtet. Im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden wird die Ausstellung des Filmemachers ab dem 1. Oktober 2020 zu sehen sein. Die Proteste, die 1958 während des Drehs der Hollywood-Produktion Ben Hur ausbrachen, sind der Ausgangspunkt von Clemens von Wedemeyers Film Procession (2013). Tausende Arbeitslose reisten damals in die von Benito Mussolini gegründete Cinecittà bei Rom, dem „Hollywood Italiens“, weil es Gerüchte gab, es gäbe dort Arbeit als Kompars*in für die Massenszenen. Als sie zurückgewiesen wurden und damit die Ausschlagung des erhofften Lohns verbunden war, stürmten sie die Filmstudios. Die historischen Aufstände werden zur Kulisse von Clemens von Wedemeyers Film. Die Stimmen der Aufständischen von gestern übernehmen dabei in Procession Kulturaktivist*innen von heute: Sie werden in dem 15-minütigen Schwarzweißfilm von den Mitgliedern des Teatro Valle Occupato verkörpert, die sich 2011 organisierten, um der Schließung des Teatro Valle, dem ältesten Theater Roms, durch Selbstverwaltung zu begegnen. Das Theater wurde ab 2011 zu einem der wichtigsten Akteure der Transformationen innerhalb des Kultursektors Roms. Die Stimmen der Protestant*innen von damals, der Wunsch nach Repräsentation und nach Arbeitsplätzen werden durch dieses Reenactment aktualisiert und in einen Dialog mit der Jetzt-Zeit gebracht, wobei die prekäre Situation der Aufständischen von 1958 in unmittelbare Verbindung zur prekären Situation der Kulturaktivist*innen des Teatro Valle Occupato gebracht wird. Clemens von Wedemeyer vereint in Procession Fiktion und Dokumentation, spielt mit verschiedenen Realitätsebenen und einer filmischen Sprache, die das Medium Film reflektiert. Seine Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen bildet dabei den Ausgangspunkt und stellt sozio-politische Bezüge bis in die Gegenwart her. Ergebnis ist eine immersive filmische Erfahrung, in der die eigene Wahrnehmung stets aufs Neue hinterfragt werden muss. Mit Procession nimmt der Nassauische Kunstverein als Parcourspartner an der B3 Biennale des Bewegten Bildes 2020 unter dem Leitthema TRUTHS teil und ist Kooperationspartner des exground filmfests 33 mit dem diesjährigen Länderschwerpunkt Italien. Über den Künstler Clemens von Wedemeyer (*1974, Göttingen) studierte Fotografie und Medien an der Fachhochschule Bielefeld und Bildende Kunst an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. 2005 schloss er sein Studium als Meisterschüler von Astrid Klein ab. Seit 2013 hat er eine Professur für Expanded Cinema an der Hochschule für Gestaltung und Buchkunst Leipzig inne. Seine Arbeiten wurden weltweit auf zahlreichen Festivals und in Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert, unter anderem im Kunstverein Leipzig (2018), im Irish Museum of Modern Art, Dublin (2016), im Museum of Contemporary Art, Chicago (2015), auf der dOCUMENTA 13, Kassel (2012), im MoMA PS1, New York (2006) und auf der Moskau Biennale (2005). Clemens von Wedemeyer lebt und arbeitet in Berlin. Mit Procession nimmt der Nassauische Kunstverein als Parcourspartner an der B3 Biennale des Bewegten Bildes 2020 teil. Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt mit dem exground filmfest 33. Foto: Clemens von Wedemeyer, The Cast: Procession, Video still, 2013 / Courtesy: Galerie Wolff, Paris, KOW, Berlin © Der Künstler und VG Bild-Kunst, Bonn, 2020
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2021-02-07
Künstler: David Horvitz
Thema: David Horvitz, dreizehnter Stipendiat des von der Landeshauptstadt Wiesbaden und dem Nassauischen Kunstverein vergebenen Stipendiums Follow Fluxus – Fluxus und die Folgen, verarbeitet in seiner Ausstellung lessons seine eigene Lebenssituation als Künstler und Vater in Zeiten der weltweiten Corona-Pandemie. Für den Kunstverein entwickelte er gemeinsam mit seiner 5-jährigen Tochter eine interaktive Ausstellung, die während ihrer Laufzeit fortlaufend wächst und von Besucher*innen erweitert wird. Das Chaos des Augenblicks, die weltweite Corona-Pandemie und die Folgen, die sie insbesondere auf das Leben von Eltern mit kleinen Kindern hat, beschäftigten David Horvitz in der Vorbereitung seiner Ausstellung für den Nassauischen Kunstverein. Seine Rolle als Künstler und Vater wurde durch das Home-Schooling um die Rolle des Lehrers ergänzt. Gemeinsam mit seiner 5-jährigen Tochter begann er, kleine Aufgaben und Lehreinheiten zu entwickeln, an deren Ende die Durchführung und Dokumentation der Übungen standen. Die Ideen zu den Aufgaben kamen dabei gleichberechtigt von David Horvitz oder von seiner Tochter, andere Aufgaben entwickelten sie in einem gemeinsamen Prozess. Die lessons sind hierbei sowohl als eine Art Lehrplan zu verstehen, eine Reihe von Aktivitäten, die einen pädagogischen und lehrreichen Charakter haben, und gleichzeitig als eine Methode, auf kreative Art und Weise mit der gegebenen Situation umzugehen. Kunst und Leben sind in diesem Prozess eng miteinander verschränkt, die Lebenssituation des Künstlers wirkt sich auf seine Kunst aus und gleichzeitig ist es seine Kunst, die in die gegebene Lebenssituation einfließt. Da David Horvitz aufgrund der Reisebeschränkungen nicht nach Deutschland einreisen konnte, begann der Künstler die lessons als Aerogramm, einem Luftpostfaltbrief, nach Wiesbaden zu schicken. Die Ausstellung beginnt mit lesson 1 und wird über die gesamte Ausstellungsdauer durch weitere lessons fortlaufend ergänzt. Dabei bleibt stets der Zufall, wann und ob alle lessons in Wiesbaden auf postalischem Wege ankommen, ein Teil der Ausstellung. Sobald eine lesson ihren Zielort erreicht hat, wird diese im Kunstverein digitalisiert und aufgehängt. Besucher*innen und Interessent*innen haben die Möglichkeit, sich auf eine Mailing-Liste setzen zu lassen, an die die lessons nach ihrer Ankunft verschickt werden. Die Ausstellung ist ein interaktives Projekt, das alle dazu einlädt, die Aufgaben gegebenenfalls mit ihren Kindern - wobei sich das Projekt explizit auch an „erwachsene Kinder“ - richtet, durchzuführen, im Kunstverein, zu Hause oder unterwegs. Dokumentationen der durchgeführten lessons können dann an den Nassauischen Kunstverein geschickt und so Teil der Ausstellung werden. Die lessons von David Horvitz fungieren, ähnlich wie die der Fluxus-Bewegung üblichen Event Scores, als kurze, einfache Beschreibungen einer durchzuführenden Handlung. In ihnen verschränken sich Kunst und Leben, wobei der Zufall immer Teil des Ganzen ist. Durch die Einsendung von Dokumentationen der Besucher*innen wird ein klassischer Autorbegriff hinterfragt und gleichzeitig eine Verbindung zwischen dem Künstler und seiner Tochter sowie den Besucher*innen geschaffen. Der Versand eines Briefes ist dabei eine sehr persönliche, intime Geste, die Ideen von Distanz, Reisen und Bewegung enthält – Begebenheiten, die durch die Corona-Pandemie eine neue Bedeutung erhalten haben. Die Ausstellung wird ergänzt durch eine weitere Arbeit, die während der Corona-Pandemie entstanden ist. 20th Century Alienation ist ein minimalistisches ABC-Gedicht, wobei jede der 26 Seiten jeweils einem Buchstaben des Alphabets und eine weitere den Zahlen gewidmet ist. Die Wörter sind größtenteils Tags und Stichworte, die der Künstler Fotodatenbanken entnommen hat, die Fotografien mit vermeintlich depressivem oder traurigem Inhalt enthalten. 20th Century Alienation ist eine Auseinandersetzung mit Entfremdungserscheinungen der Jetzt-Zeit, in der gerade durch die weltweite Corona-Pandemie die Zahl der Depressionserkrankungen enorm angestiegen ist. Die Arbeit erzeugt eine eigentümliche Spannung zwischen dem Status der einzelnen Wörter als Datenbank-Verlinkungen und ihrem vermeintlich emotionalen Inhalt. Gleichzeitig ist die Textarbeit des Künstlers immer wieder mit Wörtern durchsetzt, die von der Fotodatenbank den Begriffen „Depression“ und „Traurigkeit“ zugeordnet werden, durchaus aber ein Schmunzeln erzeugen können. Im Nassauischen Kunstverein ist eine Edition der Arbeit als Prägedruck zu sehen, wobei die Hängung nach den Vorstellungen von David Horvitz‘ Tochter vorgenommen wurde. Darüber hinaus veröffentlichte der Künstler die 27-seitige Arbeit als „Freeprint-your-own-artwork-and-install-it-in-your-bedroom-or-kitchen“ (DH) und stellte sie als kostenfreien Download zur Selbstinstallation zur Verfügung. Eine PDF-Version der Arbeit lässt sich kostenfrei auf der Homepage des Nassauischen Kunstvereins herunterladen. Zum Künstler / David Horvitz (*1974, Humboldt, CA, US) studierte Kunst am Bard College im Bundesstaat New York. Seine Werke waren weltweit in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen, so unter anderem im Musée d’Art Contemporain, Avignon (2019), im Palais de Tokyo, Paris (2017), im HangarBicocca, Mailand (2017) oder im New Museum, New York (2014). Zuletzt gewann er 2018 den Preis der Henraux Stiftung. Er lebt und arbeitet in Los Angeles. Zum Stipendium / Das Follow-Fluxus-Stipendium wurde 2008 vom Nassauischen Kunstverein Wiesbaden und der Landeshauptstadt Wiesbaden initiiert und setzt sich seitdem zum Ziel, internationale junge Künstler*innen zu fördern, die in ihrem Werk die Ideen der Kunstbewegung Fluxus aufgreifen und diese weiterentwickeln. Die bisherigen Follow-Fluxus-Stipendiaten waren Emily Wardill (Großbritannien), Jimmy Robert (Guadeloupe), Aslı Sungu (Türkei), Kateřina Šedá (Tschechische Republik), Stefan Burger (Schweiz), Annette Krauss (Niederlande), Taro Izumi (Japan), Mehreen Murtaza (Pakistan), Adriana Lara (Mexiko), Gerrit Frohne-Brinkmann (Deutschland), Assaf Gruber (Israel) und Jace Clayton (USA). Das Stipendium wird durch das Kulturamt der Landeshauptstadt Wiesbaden ermöglicht. Wir freuen uns über Ihr Interesse. Foto: David Horvitz, lessons, 2020, ©: Der Künstler, Courtesy: Der Künstler und ChertLüdde, Berlin
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2020-06-28
Künstler: Julius von Bismarck, Björn Braun, Marcel Broodthaers, Nathalie Djurberg & Hans Berg, Peter Carl Fabergé, Siri Hagberg, Agata Ingarden, Benjamin Patterson, Kirsten Pieroth, Katarzyna Przezwańska, Josefine Reisch, Karin Sander, Pedro Wirz, He Xiangyu
Thema: „Alles ist Eier. Die Welt ist ein Ei. Die Welt wird aus dem großen Eigelb, der Sonne, geboren.“ Mit diesen Worten beschreibt der belgische Künstler Marcel Broodthaers die universale Kraft des kleinen und dabei hoch komplexen Gebildes der Natur. Das Ei ist das Sinnbild der perfekten Einheit von Minimalismus, Form und unendlicher Schöpfungskraft. Die scheinbar einfache Form eines in sich abgeschlossenen Systems bietet dem sich entwickelnden Wesen für einen begrenzten Zeitraum einen Nähr- und Schutzraum. Das Ei ist von asketischer Schönheit und birgt einen unglaublichen, wunderbaren Inhalt: Leben. Seit jeher spielt das Ei daher eine besondere Rolle in den Kulturen der Welt. Als Weltenei ist es Ausgangspunkt für die gesamte Schöpfungsgeschichte, als Ei des Kolumbus bietet es eine verblüffend einfache Lösung für ein schier unlösbares Problem und seit Plutarch ist das Grübeln darüber, ob zuerst das Ei oder die Henne gewesen sei, eine unserer grundsätzlichen philosophischen Fragestellungen. Gerade an Ostern wird das Ei besonders prominent. Ursprünglich aus praktischen Gründen wurden in der Fastenzeit die zur Haltbarmachung gekochten Eier bunt eingefärbt, um sie von den ungekochten unterscheiden zu können. Daraus entwickelten sich regelrechte Kunstformen, bei der die Ei-Form zur Hülle für vielfältige Überraschungen wurde. So gestaltete der Juwelier Peter Carl Fabergé im Jahre 1885 ein ganz besonderes Ostergeschenk für die Gattin des Zaren Alexander III.: ein aufklappbares Ei aus weißer Emaille, in welchem innerhalb eines goldenen Dotters wiederum ein goldenes, mit Rubinen besetztes Huhn sitzt. Dies begeisterte nicht nur den gesamten Hof. In den folgenden Jahren entstanden in der Werkstatt Fabergés rund fünfzig Kaiserliche Prunkeier sowie zahlreiche weitere Eier von unermesslichem Wert für adelige und großbürgerliche Auftraggeber. Die Oktoberrevolution zwang Fabergé zur Flucht aus Russland - von Sankt Petersburg über Riga gelang er für eine kurze Zeit in die „Weltkulturstadt Wiesbaden“. In der international besetzten Gruppenausstellung Ei im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden wird das Ei als ein zentrales Motiv der Gegenwartskunst beleuchtet. Die Werke von Julius von Bismarck, Björn Braun, Marcel Broodthaers, Natalie Djuberg & Hans Berg, Peter Carl Fabergé, Siri Hagberg, Agata Ingarden, Benjamin Patterson, Kirsten Pieroth, Katarzyna Przezwańska, Josefine Reisch, Karin Sander, Pedro Wirz und He Xiangyu bergen dabei so manche(s) Überraschung(s-Ei). Foto: He Xiangyu, Thursday, 2018, Copyright und Courtesy: Der Künstler, Installationsansicht Nassauischer Kunstverein, 2020, Foto: Christian Lauer
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2020-06-28
Künstler: Paul Haas
Thema: Die Schranke zwischen künstlich und natürlich wurde auf Lokra, der Storemawiege, mit Tentakeln niedergerissen [...] - als sie mit Beitel, Stemm- und Stecheisen an die Selbstverbesserung gingen. Schnitzen, lochen, fräsen, furnieren mussten sie das, was sie heute sind. (Dietmar Dath, Feldeváye, 2014) In seiner ersten institutionellen Einzelausstellung zeigt der Frankfurter Künstler Paul Haas seine dreiteilige Arbeit Storema. Seine Skulpturen setzen sich mit der Frage auseinander, in welchem Verhältnis Material, Erinnerung und Körper zueinander stehen und wie eine Formensprache unserer Jetzt-Zeit aussehen könnte. Seit Jahrhunderten gilt die Kunst als überwunden. Techniken des Möglichen, von welchen die Menschen nichts wussten, als sie noch auf der Erde lebten, besiedeln die Welten. Nur auf dem abgelegenen Planeten Feldeváye kehrt die Kunst als Geschenk einer fremden Spezies zurück. In Dietmar Daths Sciene-Fiction-Roman Feldeváye (2014) sind die Storema außerirdische, hochphilosophische Geisteswesen in hölzernen Panzern, die dazu anregen, sich mit andersartigem Denken zu beschäftigen. Bei Paul Haas wirken die skulpturalen Werke der Arbeit Storema wie Bestandteile eines einzelnen, nicht-menschlichen Körpers, dessen Struktur modular angelegt ist. Die Grenzen dieses Körpers sind nicht eindeutig festgelegt, sondern erweiterbar. In Storema gehen traditionelle, handwerkliche Techniken, gebrauchte Materialien und tradierte Formen eine neue Verbindung ein. Welche Rolle konkreten Materialien in der eigenen Biografie zukommt und mit welchen Materialien man sich umgibt, ist für ihn nicht nur Teil einer persönlichen, sondern auch einer gesellschaftlichen Geschichte. Haas nutzt in seiner künstlerischen Praxis Techniken wie das Drechseln, welches ihm durch seine eigene Familiengeschichte vertraut ist, und kombiniert sie mit einer Suche nach einer neuen Formensprache im Angesicht aktueller Fragen. Über den Künstler / Paul Haas (*1992, Eilenburg) absolvierte sein Studium der Medienkunst an der Bauhaus-Universität Weimar und studiert seit 2019 an der Hochschule für Bildende Künste - Städelschule in Frankfurt am Main bei Gerard Byrne. Seine Werke waren in Gruppenausstellungen im Museum of Odessa Modern Art, Odessa, UKR, auf der transmediale, Berlin, und der GalerieMNeun, Weimar zu sehen. Er lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Foto: Paul Haas, Storema, 2020, Copyright und Courtesy: Der Künstler, Installationsansicht Nassauischer Kunstverein Wiesbaden, 2020, Foto: Janine Drewes
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2019-07-21
Künstler: Semesterrundgang des Studiengangs Kommunikationsdesign Hochschule RheinMain
Thema: Unter dem Titel SUPERNOVUM – beyond the surface geben die Studierenden einen Einblick hinter die Kulissen des Studienalltags und präsentieren ihre Abschlussprojekte. Der Titel setzt sich aus den Begriffen super für die erbrachte Leistung der Absolvent*innen und novum für die neu entstandenen Ideen, die in die Projekte eingeflossen sind, zusammen. Den Absolvent*innen wird ermöglicht, ihre Arbeiten außerhalb der Hochschule zu präsentieren und innerhalb eines institutionellen Rahmens zu kontextualisieren. Es werden die aktuellsten Entwürfe und Konzepte aus den Bereichen digitales Design, Printmedien und Typografie, Corporate Design sowie Werbekampagnen und crossmediale Projekte des Wiesbadener Kommunikationsdesign-Nachwuchses gezeigt. Unter der Leitung von Prof. Dr. Theo Steiner zeigt die Ausstellung die entwickelten Lösungen sowie präsentiert die dahinterstehenden Konzepte.
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2019-06-27
Künstler: Niklas Jesper Pagen
Thema: An ausgewählten Donnerstagabenden, von 18 bis 22 Uhr laden Künstler*innen des Nassauischen Kunstvereins zum SUNDOWNER ein. Zentral im Foyer hängt ein Werk von Niklas Jesper Pagen. Seine Arbeiten sind nuancierte Bildkompositionen, die sich an klassischen Gestaltungsregeln orientieren, ästhetisch jedoch in unserer Gegenwart verortet sind. Nach der Sommerpause werden weitere seiner Arbeiten in einer Gruppenausstellung lokaler Positionen zu sehen sein. Einen ersten Eindruck erhalten Besucher*innen am 27. Juni 2019. Wenn der Kunstverein am letzten Donnerstag im Juni seine Türen bis in die späten Abendstunden öffnet, wird der wöchentliche Umtrunk mit SPRITZ zum SUNDOWNER. Der SUNDOWNER bietet die Möglichkeit, mit Künstler*innen, die im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden ihre Arbeiten präsentieren, in einem entspannten Rahmen zusammenzukommen. Die Künstler*innen laden an ausgewählten Donnerstagabenden zum Gespräch, zu Performance, Konzert oder, wie bei dieser Auftaktveranstaltung, zum DJ-Set ein. Gemeinsam mit den DJ‘s Ramone und Koga des Recordlabels O.C.P., wird Niklas Jesper Pagen das Foyer im Nassauischen Kunstverein bespielen. Zusammen bringen sie zeitgenössische elektronische Musik an Wiesbadens Prachtstraße, zu der perfekt das Wochenende eingeleitet werden kann. Niklas Jesper Pagen ist verantwortlich für die visuelle Erscheinung des vom Offenbacher DJ Ramone ins Leben gerufenen Labels O.C.P., dessen Akronym für “Omni Consumer Product“ steht. Während aus dem Foyer elektronische Bässe klingen, läuft auf der ersten Etage die Ausstellung Viviana Abelson / Silver Glaze. Die ehemalige Städelschul-Studentin zeigt unter anderem neue Arbeiten, die direkt vor Ort in den Räumlichkeiten des Kunstvereins entstanden sind. Auf der zweiten Etage können die Ergebnisse des neunmonatigen Aufenthaltes des Künstlers Jan Lotter an der IGS Wollenbergschule im Rahmen des fliegenden Künstlerzimmers besichtigt werden.
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2019-06-30
Künstler: Jan Lotter
Thema: Eine Werkschau des Künstlers Jan Lotter und der Schüler*innen der IGS Wollenbergschule in Wetter aus einem Jahr Das fliegende Künstlerzimmer. Ganz nach ihrem Leitsatz „Menschen stark machen“ führt die Crespo Foundation "Das fliegende Künstlerzimmer" in enger Allianz mit dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, dem Hessischen Kultusministerium und im Schuljahr 2018/2019 der IGS Wollenbergschule in Wetter und dem Landkreis Marburg-Biedenkopf durch. Nach Ablauf des Pilotjahres an der IGS Wollenbergschule zieht Das fliegende Künstlerzimmer im Sommer 2019 weiter auf den Schulhof der südhessischen Georg-Christoph-Lichtenberg-Schule in Ober-Ramstadt. Das Projekt wird vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, vom Hessischen Kultusministerium und 2018/2019 vom Landkreis Marburg-Biedenkopf gefördert.
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2019-06-30
Künstler: Viviana Abelson
Thema: Viviana Abelsons Skulpturen und Installationen sind von Gegensätzen geprägt. Starre Formen und elastische Materialien treten in spannungsreiche Verbindungen. Statische Objekte reizen zur Interaktion. Die Skulpturen haben eine starke körperliche Präsenz im Raum, ihre Materialität bleibt dennoch vordergründig. Viviana Abelson arbeitet mit industriell gefertigten und damit in der Gegenwart verankerten Materialien, wie Stahl, Gummi und Leder, deren physisches und alchemistisches Potential sie beleuchtet. Zugleich erinnern die fertigen Arbeiten oftmals an archaische, aus der Zeit gefallene Objekte mit rituellen Funktionen. Ihre künstlerische Praxis ist geprägt vom Austausch körperlicher und physischer Energien. In der Fertigung sind die Materialien aggressiven, von außen wirkenden Kräften ausgesetzt. Sie symbolisieren gleichsam die unsichtbaren, machtausübenden Kräfte, die auf uns in einem größeren sozialen Kontext einwirken und verweisen so auf die Entstehung politischer Körper. Die Ausstellung Silver Glaze soll neben Arbeiten aus den letzten zwei Jahren neue, speziell für ihre erste große Ausstellung entstehende Skulpturen zeigen. Die Werke sind vor Ort, in den Räumlichkeiten des Kunstvereins entstanden, sodass sich das Ausstellungskonzept während dieses Prozesses fortlaufend weiterentwickelte. Ausgangspunkt ist die Installation Sunburn (2018), ein mit Bullenleder bespannter Traktorreifen und ein Holzparavent, die Viviana Abelson in der ländlichen Umgebung von Córdoba (Argentinien) entwickelt hat. Für die Eröffnung entwickelt Viviana Abelson zusammen mit dem italienischen Perkussionisten und Musikproduzenten Daniele De Santis ein elektroakustisches Konzert, bei dem der Musiker mit Abelsons Arbeit interagiert. Viviana Abelson (*1985, Buenos Aires) studierte an der Städelschule bei Laure Prouvost und Prof. Douglas Gordon, als dessen Meisterschülerin sie ihr Studium 2018 abschloss. Von 2013 bis 2014 besuchte sie die Klasse von Prof. Josephine Pryde an der Universität der Künste in Berlin. Zuvor studierte sie an der Universität Torcuato Di Tella und LIPAC – Buenos Aires University. Zu Ihren jüngsten Einzelausstellungen zählen, Edible beim Graf von Westphalen (Frankfurt, 2019) und Sol de Noche im Zmud Projects (Buenos Aires, 2018). Ihre Arbeiten waren u.a. in Gruppenausstellungen im Städel Museum (Frankfurt, DE), Kunstverein Göttingen (DE), Palais de Tokyo (Paris, FR), sowie 2019 in And This is Us im Frankfurter Kunstverein (DE) zu sehen. Viviana Abelson, Silver Glaze, 2019, Courtesy und ©: Die Künstlerin, Foto: Ryan Karlsson
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2019-06-09
Künstler: Rune Mields
Thema: Rune Mields (*1935, Münster) übersetzt ordnende Strukturen und Schemata in Kunst, wobei sich Logik und Ratio mit Poesie und Magie verbinden. Die Einbindung von Symbolen unterschiedlicher Ordnungssysteme, auf denen unsere Gesellschaft basiert, wie Zahlen, Worte, Noten, aber auch abstrakte Zeichen und Ornamente, kennzeichnen ihre meist in Schwarz, Weiß und Grau gehaltenen und bei aller Konzeptualität sehr stark visuell geprägten Gemälde und Zeichnungen. Der Erforschung und Visualisierung von Zahlensystemen stellt sie die in vielen Kulturen existierende magische oder rituelle Bedeutung der Zahlen zur Seite, wissenschaftliche Konzepte und Fragestellungen werden von mythischen oder metaphysischen Ideen überlagert. So stellen sich als zugrundeliegende Elemente ihrer Arbeiten die Visualisierbarkeit der Unendlichkeit und die Limitierung unseres Denk- und Vorstellungsvermögens heraus. Der Fokus der für ZEITEN UND ZEICHEN ausgewählten Arbeiten liegt einerseits auf der Darstellbarkeit von Zeit in Form von Zahlen, andererseits auf der Darstellung von Zahlen und anderen Zeichen in unterschiedlichen Zeiten und Systemen. Am Ende des Rundgangs begegnet uns die Künstlerin in einem Selbstportrait mit Telefon (2015), das ein Selbstbildnis Maria Lassnigs zitiert. Sie tritt hinter diesem Attribut in den Hintergrund, verdeutlicht aber den subjektiven, künstlichen Eingriff, der hinter jeder Darstellung von Abstraktem steht. Rune Mields macht Unsichtbares sichtbar, das wiederum von den Betrachter*innen als verschlüsselt wahrgenommen wird und entschlüsselt werden muss. Beides geschieht mittelbar und innerhalb der Grenzen, die uns Denkvermögen und Verfügbarkeit von Zeichen setzen. Während die Werke die Betrachter*innen also dazu zwingen, genau hinzusehen und zu versuchen, die Überschneidungen verschiedener inhaltlicher sowie bildlicher Ebenen zu enträtseln, gilt für Mields Arbeiten doch immer die im gleichnamigen Gemälde (2014) zitierte Aussage des Physikers und Aphoristikers Georg Friedrich Lichtenberg: „Die Hauptsache ist immer unsichtbar“. Bild: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2019-05-12
Künstler: Pia Ferm
Thema: Pia Ferms (*1986, Lysekil, SE) handgetufteten Wandteppiche bewegen sich zwischen Skulptur und Malerei, verbinden sie die Traditionen der Bildteppiche mit dem Genre des Stilllebens innerhalb der Malerei. Die abstrahierenden Arbeiten sind präzise Auseinandersetzungen mit den von ihr verwendeten Medien und Materialien. Gehört die traditionelle Teppichwirkerei oder -weberei zu den ältesten Handwerkskünsten der Menschheit, bedient sich die Künstlerin mit dem Tufting einer relativ modernen, oftmals industriell genutzten Technik. Während sie über das durch diese Methode entstehende Relief in den Bereich der Skulptur vordringt, erinnern vor allem der gestische Ausdruck in den Teppichen sowie deren Präsentation an der Wand an Malerei, erweitert jedoch um eine räumliche und verführerisch haptische Qualität. Grundlage für die Motive Pia Ferms sind, der Tradition der Wandteppiche folgend, Gemälde, wobei die Idee der Übersetzung von abstrakten Motiven in textiles Gewebe bereits von den Künstler*innen des Bauhauses weiterentwickelt wurde. Einer Skizze folgend entwirft sie abstrahierte Aquarellstillleben, die sich motivisch in ihrer Leichtigkeit der Schwere des wollenen Objekts entgegenstellen. Dieser Gegensatz findet sich ebenfalls in ihren Marmorskulpturen: Trotz der Schwere des Materials ist ihr Ausdruck leicht, pastellig und spielerisch, indem sie comichaft die Alltagsobjekte der Teppichmotive aufnehmen und das gewichtige Erbe der antiken Skulptur unbeschwert überspielen. So speisen sich die ableitbaren Motive sowohl der Teppiche als auch der Skulpturen aus der gleichen, von Pia Ferm geschaffenen, Bildwelt – das Motiv des Kamms greift sie beispielsweise in beiden Medien auf –, sodass sie das Bild als solches aus unterschiedlichen bildhauerischen Praxen heraus erforscht. Pia Ferm (*1986, Lysekil, SE) studiert seit 2014 in der Klasse Tobias Rehberger an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste - Städelschule, Frankfurt am Main, nachdem sie zuvor ein Studium an der Dômen artschool, Göteborg absolvierte. Sie stellte bereits in Schweden, Österreich und Deutschland aus. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt a. Main. Bild: Pia Ferm, Baldino, 2018, © und Courtesy: Die Künstlerin
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2019-04-07
Künstler: Dropstuff.nl
Thema: The Fair Grounds 1.0 besteht aus sechs ausgedienten „Kiddy-Rides“, die an Kirmes-Besuche der Kindheit erinnern. Zu neuem Glanz gelangen sie durch einen Anstrich in den Farben der niederländischen „De Stijl“-Bewegung, zu dessen bekanntesten Vertretern Piet Mondrian und Gerrit Rietveld zählen. Die Fahrgestelle laden dazu ein, sich via Virtual Reality auf eine Reise in zwei europäische Metropolen zu begeben, die trotz aller Gegensätzlichkeiten erstaunlich viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Es beginnt eine rasante Achterbahnfahrt durch Venedig und Amsterdam. Jeder Automat bewegt sich auf seine eigene Weise autonom von den anderen. Die Besucher*innen entscheiden selbst, ob sie die Reise auf Motorrad, Pferd, Rennwagen, Hubschrauber, Pokémon oder Clown-Wippe antreten wollen. Wird der große rote Knopf betätigt, setzen sich die Fahrgestelle im 1. Obergeschoss des Nassauischen Kunstvereins in Gang. Über DROPSTUFF.nl / Das Designkollektiv DROPSTUFF.nl ist ein Pionier im Mediendesign und für Kunstinstallationen bekannt, in denen die Grenzen zwischen digitalem und analogem Raum verschwimmen. The Fair Grounds 1.0 wurde während der Venedig-Biennale 2017 in Zusammenarbeit mit der niederländischen Botschaft in Italien lanciert. Während des Cinekid Amsterdam Media Festival 2017 gewann die Installation den Golden Lion Audience Award. Das Fair Grounds-Projekt wurde mit dem NICE Award 2019 für soziale Innovationen in der europäischen Kreativwirtschaft ausgezeichnet. Foto: Dropstuff.nl, The Fair Grounds 1.0, 2017, Courtesy und ©: Dropstuff.nl.
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2019-06-09
Künstler: Song Ta
Thema: Die Dreikanal-Videoinstallation Who Is the Loveliest Guy (2014) ist vom Essay Who Are the Most Beloved People? (1951) des chinesischen Journalisten Wei Wei, einer sehr wohlwollenden Darstellung von Soldaten der Volksfreiwilligenarmee Chinas während des Koreakrieges, inspiriert und zeigt eine Gruppe uniformierter Marineoffiziere in unterschiedlichen Kameraperspektiven während einer Achterbahnfahrt. Bleiben sie ihrem tapferen und heroischen Image während der rasanten Fahrt treu? In den Nahaufnahmen des Films und den dazugehörigen, automatisch erstellten Onride-Fotos aus der Achterbahnkamera lässt sich nicht nur ihre Mimik auf Anspannung und Angst überprüfen, sondern auch rätseln, wer denn nun der hübscheste von ihnen sein könnte. Song Tas Arbeiten verbinden einen humorvollen und spielerischen Zugang mit einem ernsthaften Anliegen. Er bedient sich zwanglosen, komödiantischen Mitteln, um so neue Denkweisen für etablierte Institutionen, Wissenssysteme und Machtstrukturen anzuregen. Basierend auf alltäglichen Beobachtungen der ihn umgebenden gesellschaftlichen Realität, bezieht Song Ta politische Diskurse und Symbole in seine Arbeiten ein, um so ganz subtil die bestehende soziale Ordnung und politische Macht zu untergraben. Song Ta (*1988, Leizhou, Guangdong, CHN) studierte Malerei an der Guangzhou Academy of Fine Arts. Seine Arbeiten waren u. a. in der Julia Stoschek Collection Foundation, Düsseldorf, dem New Museum, New York, dem Para Site Art Space, Hong Kong, dem Guangdong Times Art Museum, dem Ullens Center for Contemporary Art, Beijing und dem Marres, Huis voor Hedendaagse Cultuur, Maastricht sowie auf der Shenzhen Sculpture Biennale zu sehen. Er lebt und arbeitet in Guangzhou. Song Ta , Who Is The Loveliest Guy, Videostill, 2014, ©: der Künstler, Courtesy: der Künstler und Beijing Commune
Ort: Nassauischer Kunstverein Wiesbaden bis: 2018-10-21
Künstler: Sara Nabil
Thema: Sara Nabil / No Objection Possible 21. September bis 21. Oktober 2018 Eröffnung: 20. September 2018, ab 18 Uhr Die videobasierten und installativen Interventionen von Sara Nabil (*1994, Kabul) verhandeln Mechanismen hinter Macht-und Gewaltstrukturen und deren mögliche Folgen. In No Objection Possible, ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung, okkupieren ihre Arbeiten als Reaktion auf das daraus resultierende gesellschaftliche Ungleichgewicht die Ausstellungsräume. Sara Nabil verbindet in ihren Arbeiten Erinnerungen an ihre Kindheit in Afghanistan mit persönlichen Beobachtungen zum aktuellen Zeitgeschehen. In der Ausstellung No Objection Possible nimmt die Künstlerin mit der Zivilgesellschaft diejenigen in den Fokus, die die Auswirkungen wichtiger politischer Entscheidungen zu spüren bekommen, und verweist indirekt auf die hinter diesen Entscheidungen stehenden, teilweise auch wirtschaftlichen, Interessen. Die gleichnamige Installation, die speziell für die Ausstellung entstanden ist, kombiniert Videos mit skulpturalen Elementen. Das Zentrum der Arbeit bildet dabei ein überdimensionierter Tisch, der über den Köpfen zu schweben scheint. Verhandlungstische, die als architektonisches Element in politischen Interieurs weltweit in Verwendung sind, dienen Sara Nabil dabei als Sinnbild für Machtstrukturen und politische Handlungen. „Als ich das erste Mal diese Tische sah, war ich sechs Jahre alt. Meine Familie und ich lebten unter dem Taliban-Regime, das Musik und Fernsehgeräte verboten hatte, aber wir hatten Satellitenfernsehen zu Hause. Auf einem Kanal sah ich Nachrichten über den Angriff der USA auf Afghanistan. Der Präsident der USA kündigte von einem solchen Tisch aus an, Afghanistan anzugreifen. Auch auf der anderen Seite versammelten sich Menschen um einen solchen Tisch und verhandelten das Schicksal von Millionen“, erinnert Sara Nabil. Wie wirkt sich das Votum der Mächtigen an einem Tisch auf das Leben von Millionen Menschen aus? Welche Spuren hinterlassen diese Entscheidungen in individuellen Lebensgeschichten? Und nicht zuletzt: Ist Widerspruch möglich