Ausstellung Galerie Galerie Carolyn Heinz
Datum: 06.05.2006 - 10.06.2006
Künstler: Reinhold Engberding / Moritz Hasse
Veranstalter & Ort:
Galerie Galerie Carolyn Heinz
20095 Hamburg
Klosterwall 13
Reinhold Engberdings plastische Arbeiten sind gehäkelt. Nach klaren Regeln entstehen streng durchkonstruierte Formen: immer gleiches, schwarzen Garn verhäkelt der 51jährige, in Hamburg arbeitende Künstler in Runden, so dass ein immer gleiches, ruhiges Muster entsteht. Für jede Arbeit entwickelt Engberding ein konstruktives Prinzip, das er konsequent anwendet. In vielen Werken hat das Entstehungsprinzip mit der Zahl 12 zu tun. In einer Reihe von Arbeiten verwendet er 12 Knäule, wobei die Übergänge zum nächsten Knäuel jeweils markiert werden. Oder etwa, wie in seinem Werk Mandorla IV, ist die Arbeit aus 2x12 gehäkelten, mit Tischtennisbällen gefüllten Schläuchen zusammen gesetzt, deren jeweiliger Umfang sich aus der Maschenzahl 24 pro Reihe bestimmt. Die textilen Gebilde werden straff gespannt oder mit Materialien gefüllt, oder sie werden durch Latexballons in eine Form gebracht, die dann durch den Auftrag von Schellack und Wachs haltbar stabilisiert wird.
Die entstehenden Objekte haben eigentümlich amorphe Formen, was in einer merkwürdigen Ambivalenz zum äußerst konstruktiven Entstehungsprozess und dem gleichförmigen, ruhigen Häkelmuster steht. Auch der Titel „Mandorla“, den Engberding einer ganzen Serie von Arbeiten gegeben hat, mutet zunächst unvermittelt an, ist doch damit in der Kunstgeschichte die Gloriole oder Aura bezeichnet, die mandelförmig eine Heilige Gestalt vollständig umfasst. Doch die Kontur dieser Arbeiten hat tatsächlich mandelförmige Struktur und der Betrachter gewinnt den Eindruck, als umfingen die eigenwilligen Körper den sie enthaltenen Raum geradezu inniglich. Durch Materialität und Form entsteht ein vielschichtiger Effekt, der gleichzeitig anziehend, aber auch befremdlich distanzierend wirkt.#
Moritz Hasse bereist Städte und photographiert. Dann kehrt er in sein Atelier zurück und übersetzt diese Motive in Ölmalerei. Es entstehen keine photorealistischen Arbeiten, auch keine Konstruktionen der Wirklichkeit. Trotz eigenartiger Unschärfe meint man das Photo noch recht genau erkennen zu können, doch sieht man wirklich alles?
Hasses Thema sind nicht die repräsentativen Sehenswürdigkeiten einer Stadt, nicht deren Prachtstraßen oder Boulevards. Vielmehr sind es die kleineren und größeren Straßenzüge, in denen gewohnt wird, in denen der Müll sich an der Straßenecke stapelt, ein Autowrack geparkt oder ein Wohnwagen abgestellt ist. In diesen Straßen spürt man die Anwesenheit von Menschen, die jedoch in Hasses Bildern nur selten - und niemals als Protagonisten - präsent sind. Man meint die Spuren des Alltags zu erkennen, dabei zeigt Hasse sie gar nicht explizit. Man spürt das Leben und doch liegen diese Straßen in seltsam gleich bleibender, unaufgeregter, nahezu unantastbarer Atmosphäre da.
Schon während seines Studiums, inzwischen seit gut 10 Jahren beschäftigt sich der 1972 in Bremen geborene, heute in Berlin lebende Maler Moritz Hasse mit diesem Thema. Stets malt er mit einheitlich großem Pinsel. Die Serien spiegeln zwar einerseits typische Impressionen der Städte, aber sie haben alle einen gemeinsamen Charakter. Häuser, Autos, Schilder, Bäume, nur selten Menschen, kein Detail beansprucht besondere Aufmerksamkeit. Aber ebenso ist nichts als nebensächlich gekennzeichnet. Alles wirkt alltäglich, verbindlich und erzeugt dennoch zugleich eine seltsame Irritation.
In der Ausstellung zeigt Hasse vor allem Arbeiten einer neuen Serie, die nach seiner letztjährigen Istanbulreise entstanden sind.
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Es ist nicht so einfach, eine Parallele zwischen den Arbeiten von Reinhold Engberding und Moritz Hasse zu ziehen. Vermutlich ist das auch gar nicht nötig; vielleicht ist es besser, die beiden Positionen neben- und miteinander zu sehen. Dennoch ist da die Konsequenz, mit der beide Künstler ihre Themen verfolgen, und die strenge Wahl ihrer jeweiligen Arbeitsmaterialien zu nennen. Ein weiteres verbindendes Moment beider Werkgruppen ist ihre Vielschichtigkeit, die eine ganz besondere Spannung erzeugt. Die Arbeiten sind ganz unmittelbar sinnlich anziehend, aber sie haben eben auch einen Seite von Fremdheit und Distanz.
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