Ziele Ausstellung Berlin

Ausstellung Galerie Galerie cubus-m

Datum: 02.05.2015 - 20.06.2015

Künstler: Jan Hostettler

Veranstalter & Ort:
Galerie Galerie cubus-m
10785 Berlin
Pohlstraße 75


Eröffnung: Freitag, 1. Mai 2015, 18 Uhr

Sonderöffungszeiten zum GALLERY WEEKEND BERLIN 2015
Freitag, 01. Mai 2015 ab 13 Uhr
Samstag und Sonntag, 02. und 03. Mai 2015 von 11 – 19 Uhr

Wer wandert, gibt dem Blick eine Richtung. Man geht auf ein Ziel zu und richtet den Blick auf etwas. Gleichzeitig ermöglicht das Wandern aber auch Momente, in denen man den Blick schweifen lassen kann, in denen er Freiheiten geniesst und ohne Regeln und Plan umherstreifen darf. Jan Hostettler sucht in seiner Arbeit genau diese Spannung zwischen dem fokussierenden Blick, der das Objekt seines Betrachtens festsetzt und definiert und einem Blick, der sich den Dingen eher fragend nähert.

Im Herbst 2012 macht sich Jan Hostettler auf nach Süden. Vom Grossen Sankt Bernhard wandert er auf der Via Francigena nach Rom. Die Via Francigena – der Frankenweg – ist eine der ältesten Routen vom Norden in den Süden quer durch Europa. Sie wurde berühmt durch die Aufzeichnungen des Erzbischofs Sigeric von Canterbury, der sie im Jahr 990 n. Chr. als Reiseroute nach Rom wählte. Die Stationen seiner Reise hielt er in seinem Tagebuch fest.

Jan Hostettlers Wanderung vom Grossen Sankt Bernhard nach Rom dauert vierzig Tage. Einmal am Tag, gegen Mittag, hält er inne. Es ist der Moment, in welchem er die Kamera – eine analoge Mittelformatkamera, Franka Solida – hervorholt, sie Richtung Süden ausrichtet, einen Ausschnitt wählt – und abdrückt. Eine einzige Fotografie für jeden einzelnen Reisetag.

Gehen ist für Hostettler eine Methode den Blick auf seine Umgebung zu schärfen. Auf seinem Fussmarsch findet er haufenweise leere Schrotpatronen. Jedes seiner auf der Reise geschossenen Bilder erhält eine solche farbige Patronenhülse als Begleiter in den Bilderrahmen gestellt. Sie harmonieren so gar nicht mit den ruhigen Landschaftsaufnahmen in Schwarz und Weiss. Und doch ist die Analogie zwischen Fotografie und Jagd offensichtlich. Schnell wird klar, dass der Künstler eine Affinität zu Spielereien der Sprache hat. Er lässt sich von ihnen leiten oder baut sie in seine Arbeiten ein, wenn sie ihm begegnen. Dadurch bringt er Dinge, die sich eigentlich fremd sind, in einen gemeinsamen Kontext. Im Falle von Stroll, Fall (2013) führt das unweigerlich zu Fragen: Was ist das für eine Gegend zwischen den Schweizer Alpen und dem Süden Italiens, die schon der Erzbischof von Canterbury vor rund tausend Jahren beschritt? Was ist das für eine Landschaft, die aus Steinen, Gestrüpp und Wald besteht und die, so scheint es, für die Anwohner eher Jagdgebiet als historisches Kulturgut ist?



Dreizehn ausgewählte Bilder der vierzigteiligen Serie sind nun bei cubus-m zu sehen. Die Fotografien werden dominiert von einer hohen Horizontlinie und grafisch anmutenden Landschaftsgebilden. Dabei kontrastieren die deutlichen Linien die schwammige Materialität von Gras, Gestrüpp, Wald und Weg im unteren Teil der Bilder. Die Fotografien beinhalten – gleich dem Blick des Wanderers – klar definierte Elemente wie auch Momente, die den Blick suchen lassen und die Frage Was-ist das? aufwerfen. Die Patronenhülse ist dabei wie ein Fingerzeig, der uns mahnt, dass diese Landschaft wohl immer etwas anderes ist, je nachdem wer zu welchem Zweck seinen Blick oder seine Flinte auf sie richtet.

Wer geht, der entdeckt. Bei einem Streifzug durch die Stadt fällt der Blick des Künstlers auf einen Brunnen. Von zwei gegenüberliegenden Wasserspeiern fliesst jeweils ein Wasserstrahl in das Becken und füllt es mit Wasser. Zwei Bewegungen, einander entgegen gerichtet und doch versinken sie voreinander im Becken des Brunnens ohne sich zu treffen. Ein Strahl spiegelt den anderen. Sie sind nicht bestimmt sich zu berühren. Mit einer kleinen Drehbewegung am Wasserhahn wird die Wasserzufuhr langsam erhöht. Was zuvor gemächlich vor sich hin plätscherte, schwillt allmählich zu einem kräftigen Strom an. Die Wasserstrahlen kreuzen sich in der Mitte, um sich dann über den jeweils gegenüberliegenden Rand des Brunnenbassins hinaus auf die Strasse zu ergiessen. Dann kehren sie langsam wieder zurück, als wäre nichts gewesen. Der Streich eines Jungen? Es ist auch eine Methode Hostettlers – das Spielerische. Ein bisschen drehen, an den Dingen herumspielen, ein wenig an den gegebenen Umständen schrauben – und schon ist der Brunnen nicht mehr Brunnen, das Wasserbecken verliert seine Wasserzufuhr und das idyllische Wasserspiel wird zur nassen Lache auf dem Boden. Mit einem kleinen Eingriff überwindet Hostettler hier den gegebenen Raum und die Grenzen, die ihn definieren. Die Bewegung des Wassers schiesst über ihr Ziel hinaus, der Raum wird durch die Bewegung aufgebrochen.

Auch das zweite Video zeigt ein Spiel mit einem Brunnen. Die Kamera ist so platziert, dass der Wasserstrahl des Brunnens direkt auf sie gerichtet ist. Die Wasserzufuhr wird wieder erhöht und der Strahl springt über den Rand des Brunnens direkt auf die Kamera zu und wirft sie um. Es bleibt nur der Blick in den weiten Himmel. Hier überwindet das Spiel mit dem Wasser nicht nur die vorgegebenen Räume, es tut auch neue Räume auf. So verlangt die Kollision von Wasser und Kamera nicht nur einen radikalen Wechsel der Blickrichtung, symbolisch gefasst im Wechsel von Wasser zu Luft, sie sprengt zugleich den Rahmen des Videobildes. Die Bedingungen und das Arrangement des Films werden plötzlich sichtbar und das Medium rückt ins Feld des Bewusstseins.



Jan Hostettlers Arbeiten lassen sich leiten von der Bewegung. Er geht mit wachem Blick durch die Welt. Sein Interesse gilt den Dingen um ihn herum. Mit kleinen Veränderungen und einfachen Setzungen manipuliert er seine Umgebung so, dass der Betrachter unweigerlich stehenbleiben und sich fragen muss: Was ist das eigentlich, das sich mir hier zeigt?

Anita Vogt, Basel



Jan Hostettler (*1988) absolvierte von 2008 – 2011 seinen Bachelor in Bildender Kunst an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel mit Kursen bei Jürg Stäuble, Muda Mathis und Dr. Roman Kurzmeyer. Mit seinen Arbeiten ist Hostettler in Ausstellungen verschiedener Museen und Galerien in seiner Heimat Schweiz und international vertreten, u.a. in der Kunsthalle Basel, dem Kunsthaus Baselland, Kunsthaus Langenthal und Kunstmuseum Solothurn. In den USA und in Canada zeigte er seine Arbeiten in der Castelton Downton Gallery in Ruthland, Deuxpiece in New York, Eastern Bloc und Oboro Cebtre d’ Art in Montréal.
Für sein Werk wurde Jan Hostettler bisher mit Auszeichnungen und Stipendien vom Kunstverein der Stadt Solothurn, dem Förderpreis Bildende Kunst Kanton Solothurn, dem Reisestipendium des Atelier Mondial Basel, dem Reisestipendium der Albert Friedrich His Stiftung, Basel und der Residency der Fonderie Darinling Montréal, Canada ausgezeichnet.


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