
Der Preis der Nationalgalerie 2026 geht an Maurizio Cattelan – den italienischen Künstler, der wie kaum ein anderer Humor und Zynismus in Kunst verwandelt. Seine Kunst trifft dort, wo es brennt: in den kollektiven Nerven unserer Zeit.
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Wenn Cattelan im September 2026 die Neue Nationalgalerie mit seiner ersten großen Einzelausstellung in Deutschland übernimmt, wird Berlin zum Schauplatz einer Konfrontation. Zwischen Lachen und Schmerz, Schuld und Befreiung, Macht und Ohnmacht. Zwischen uns – und dem, was wir vielleicht nicht immer sehen wollen.

Fotos: Maurizio Cattelan, Neue Nationalgalerie, Berlin, © Peter Rigaud, 2025
Ein Papst, erschlagen von einem Meteoriten. Ein betender Junge mit dem Gesicht Hitlers. Eine animierte Figur, die Günter Grass’ Blechtrommel entsteigt. Cattelan provoziert, ja. Aber nie zum Selbstzweck. Seine Werke sind keine Schockeffekte, sondern chirurgische Eingriffe in das kollektive Bewusstsein. Mit bitterem Humor und präziser Geste legt er gesellschaftliche Wunden frei – und zwingt zur Auseinandersetzung.
Die Jury – Emma Lavigne, Sam Keller und Klaus Biesenbach – hebt hervor, was Cattelans Kunst in Deutschland besonders dringlich macht: Sie stellt Fragen, die hier nicht verstummen dürfen. Was bedeutet Schuld heute? Wie erinnern wir uns – und wozu? In einem Land, das seine Geschichte neu erzählt, trifft Cattelans Werk auf offenen Nerv. Berlin, diese Stadt der Narben, wird zum Resonanzraum seiner Themen: Macht, Religion, Tod, Erinnerung. Und Humor – als Waffe gegen Erstarrung.
In Zeiten, in denen Institutionen um Glaubwürdigkeit ringen und Debatten sich verhärten, wirkt Cattelans Ironie wie ein Gegengift. Er macht keine moralischen Angebote. Er zeigt Macht – und lässt sie kippen. Er zeigt Schmerz – und lässt uns lachen. Diese Ambivalenz ist kein Rückzug, sondern ein Aufruf: Denken statt urteilen. Fühlen statt reagieren.
Maurizio Cattelan ist kein Held. Er ist ein Störfaktor. Und gerade deshalb so wichtig. Seine Kunst entzieht sich der Eindeutigkeit – und erinnert daran, dass Widerspruch und Zweifel die eigentlichen Motoren des Denkens sind.
Wenn die Neue Nationalgalerie – dieser gläserne Tempel der Moderne – im Herbst 2026 seine Werke zeigt, wird sie selbst zum Experimentierfeld: Wie viel Ambivalenz hält eine Gesellschaft aus?
Mit der Ausstellung kehrt Maurizio Cattelan nach Berlin zurück, wo er 2006 die 4. Berlin Biennale mitkuratierte.
In einer Welt, die nach klaren Antworten schreit, erinnert Cattelan uns an die Kraft der Frage. Er zwingt uns, hinzusehen – und das Unbehagen auszuhalten. Seine Kunst will keine Zustimmung. Sie will Reaktion.
Der Preis der Nationalgalerie feiert 2026 sein 25-jähriges Bestehen – und bleibt eine feste Größe im internationalen Kunstbetrieb. Seit seiner Gründung gilt die Auszeichnung als Sprungbrett für Künstlerinnen und Künstler, deren Arbeiten weltweit Impulse setzen. Auch ein Vierteljahrhundert nach seiner Einführung versteht sich der Preis als Spiegel der Vielfalt und Dynamik zeitgenössischer Kunst.
Erstmals wird die Auszeichnung im kommenden Jahr in der Neuen Nationalgalerie präsentiert – in Form einer Einzelausstellung, die herausragende Positionen der Gegenwart würdigt. Damit rückt die aktuelle Kunst in direkten Dialog mit der Sammlung des Hauses und seiner Geschichte. Möglich wird das neue Format durch die Unterstützung der FREUNDE der Nationalgalerie.